Hochhäuser - nein, danke
Das Märchen vom Kölner Dom
Die UNESCO hatte den Kölner Dom auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt, weil ein Hochhauskomplex, der in der Nähe errichtet werden sollte, ihrer Meinung nach das Erscheinungsbild der Kathedrale beeinträchtigt hätte. Nun plant man wieder neu.
8. April 2017, 21:58
Es war einmal ein Dom. Der thronte über dem Rhein, hochgemut und wunderschön, größer und stärker als fast alle seine gotischen Brüder. 157 Meter maßen seine Zwillingstürme! Und er spiegelte und spiegelte sich im Loreleyfluss, während unentwegt Züge über die Eisenbahnbrücke an seiner Flanke und Schiffe über den Rhein manövrierten.
Eines schönen Tages im Jahre 1996, da hängten die guten Geister von der UNESCO dem Kölner Dom ein Mascherl um: das UNESCO-Welterbe-Mascherl. Nun prangte er mit vielen anderen kostbaren Kultur- und Naturschätzen auf der wundersamen Welterbe-Liste.
So ein Mascherl hatte schon seinen Sinn! Es sollte vor Zauberern und Hexen schützen, die den stolzen Dom verrotten lassen könnten, oder ihm böse Bausündendämonen zur Seite stellen würden, die seine Schönheit wegzaubern könnten. Die Stadt- und Landesväter freuten sich also gar sehr.
Es währte nicht lange, da kamen die Stadtplaner auf hoffärtige Gedanken. Sie wollten böse Wolkenkratzer-Riesen in Köln aufpflanzen, nur damit ein jeder Investoren-Goldesel einen tollen Bürostall mit Panoramablick beziehen könnte. Gleich sechs solcher Riesen wollte man aus dem Boden stampfen, der höchste hätte mit 120 Metern dem gotischen Wahrzeichen Kölns beinahe bis an die Schulter gereicht. Auf einer Industriebrache in Köln Deutz, der Schälsick, gleich gegenüber auf der anderen Rheinseite, nur einen Kilometer von Prinz Dom entfernt, rund um den neuen Bahnhof für die superschnellen ICE-Zauberzüge, an dieser Stätte sollten sich die Riesen zum "Hochhauscluster" zusammenballen und drohend zum Dom hinüberblinken.
Dies kam aber den braven Schutzengeln zu Ohren, den Leuten von der ICOMOS, dem Denkmalschützergremium, welches das UNESCO-Welterbekomitee berät, und aufpasst, dass dem Welterbe kein Leids geschieht. Der internationale Oberschutzengel, ICOMOS-Präsident Michael Petzet, ein Deutscher, wurde ganz traurig. Noch dazu war einer der Häuserriesen schon nicht mehr zu stoppen: Ein Bauherr und eine Architektin hatten diesen langen Lackel schon vor der Aufnahme des Doms in die Welterbe-Liste am Papier gezeugt, und nun war es zu spät, ihn am Wachsen zu hindern.
Eilig flogen die ICOMOS-Schutzengel im Juli 2004 zur Jahressitzung des UNESCO-Welterbekomitees, in Suzhou im fernen China. Die Schutzengel rieten, man möge die widerborstigen Stadtväter von Köln abmahnen. Die guten Geister vom Welterbekomitee drohten aber lieber gleich mit dem Bannfluch und setzten den Dom auf die Rote Liste des gefährdeten Erbes. An diesem Schandpfahl steht Köln als erste und einzige westeuropäische Stadt bis heute - zwischen einem afrikanischen Naturschutzgebiet und einem Biosphärenreservat in Honduras.
Wer nicht lesen will, muss fühlen, meinten die UNESCO-Geister, denn mit der Eintragung in die illustre Liste verpflichtet sich eine Stadt oder Region, einen großen Dornröschen-Garten um ihr Welterbe anzulegen; moderne Architektur-Störenfriede dürfen sich der geforderten Pufferzone nur nähern, wenn sie sich diskret im Hintergrund halten.
Vielleicht könnte die geistige Dimension eines guten Büroturms in der Qualität seiner Architektur und seiner städtebaulichen Bezüge stecken, dachten sich die bösen Magier in Köln. Mit dieser Formel hatten sie wohl auch das Volk behext, denn der Zauber wirkt offenbar bis heute. Zuerst stampften die Stadtväter Kölns heftig mit dem Fuß auf. Der Schuh des Oberbürgermeisters Schramma landete dabei im Fettnapf; in Richtung Welterbe-Komitee rabaukte er, ihm sei es "peinlich, wenn ein Delegierter aus dem Libanon sich Gedanken macht, was in Köln passiert". Prompt waren die guten UNESCO-Geister noch viel beleidigter, als sie es ohnehin längst gewesen waren.
Dem Welterbekomitee wurde es zu bunt, und es spitzte schon den Bleistift, um den Kölner Dom von der Welterbeliste zu streichen. Na und, fragten sich so manche Kölner Bürger und Bürgerinnen, die das Walten der Schutzengel und guten Geister als Einmischung in kölsche innere Angelegenheiten sahen. Würde bei Verlust des Welterbe-Mascherls auch nur ein Tourist weniger den Dom fotografieren kommen?
Oberbürgermeister Schramma musste ins Welterbezentrum in Paris sausen und dort einen Canossa-Latscher antreten, um das Ärgste abzuwenden. Und tschüss, hieß es für den Hochhauscluster in der jetzigen Form. Die Planung für Kölns neue Mitte zur Rechten des Rheins geht demnächst zurück an den Start; dem bösen Turmriesen muss mehr als Haupteslänge abgehackt werden.
Auf der nächsten Tagung des Welterbekomitees, Mitte 2006 in Vilnius, wird sich entscheiden, ob man die Kölner weiter auf Erbsen knien lässt. Haben die Planer bis dahin brav die Riesen gestutzt, dann nehmen die UNESCO-Geister - vielleicht! - den Kölner Dom wieder von der roten Liste.
Und, hätte es vor vielen Jahren schon ein Welterbekomitee gegeben, dann wären wahrscheinlich auch dem Kölner Dom seine Türme nicht aufgesetzt worden, was erst im 19. Jahrhundert geschah. Denn der Dom rammte einen ganzen Kranz romanischer Kirchen, die die Rheinmetropole zieren, höhenmetermäßig in Grund und Boden.
Nach wie vor reißen sich Städte und Regionen darum, einen Platz auf der Welterbeliste zu ergattern. Ihnen würden ungenannt bleiben wollende Kölner Entscheidungsträger gern (mit Schiller) ins Ohr flüstern: Drum prüfe, wer sich ewig bindet!
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UNESCO