Angst vor dem Unbekannten
Wir und die Anderen
Der Reiz des Fremden hat eine lange historische Tradition, ebenso wie die Angst vor allem Unbekannten. Während Urlaubsdestinationen nicht exotisch genug sein können, wird dem Fremden im gesellschaftlichen Alltag oft mit Misstrauen und Ablehnung begegnet.
8. April 2017, 21:58
Wütende Jugendliche, die Brandsätze auf Autos werfen, Straßenschlachten mit der Polizei - Szenen, die sich erst kürzlich in Vorstädten von Paris abgespielt haben. Diese Jugendlichen haben ihrem Zorn Luft gemacht; ihrem Zorn über eine Zukunft ohne Perspektiven in einem prosperierenden Land wie Frankreich: Sie sind zwar Franzosen, aber nur auf dem Papier.
Als Kinder von Zuwanderern mit fremdem kulturellem Hintergrund leben sie in Ghettos am Rand einer Gesellschaft, der sie nie wirklich angehören werden. Was nach derartigen Ausbrüchen von Gewalt bleibt, ist Ratlosigkeit.
Begegnung mit dem Fremden
In Österreich brennen keine Autos, aber der Umgang mit Fremden ist - wie überall in Europa - ebenso ein zentrales gesellschaftliches Thema. Grundsätzlich ist die Begegnung mit dem Fremden - egal in welchem kulturellen Zusammenhang - vor allem durch eines geprägt: durch Ambivalenz.
Diese Ambivalenz bestehe einerseits aus der Faszination des Fremden und andererseits aus der Angst vor dem Fremden. Je nachdem, in welcher Lebenssituation wir uns befinden, aktivieren wir laut Birgit Wagner vom Institut für Romanistik an der Universität Wien., die eine oder die andere Seite dieser Ambivalenz.
Faszination und Ablehnung
Eine Fernreise kann uns gar nicht exotisch genug sein, wir mögen fremdes Essen und fremde Bräuche - solange wir sie selbst als Fremde gleichsam unverbindlich in einer uns fremden Umgebung erleben.
Wenn allerdings der türkische Nachbar daheim laute Grillfeste veranstaltet oder als Mitbewerber um einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung auftritt, sieht die Sache schon anders aus.
Denn dann entstehe ein großes Gefühl der Verunsicherung, das dazu führt das der Andere sehr bald als Konkurrent und als Bedrohung erscheint. Dieses Spannungsfeld zwischen Faszination und Ablehnung dem Fremden gegenüber, ist uralt und zutiefst menschlich.
Wirtschaftliche Faktoren der Ablehnung
Wer über militärische und wirtschaftliche Überlegenheit verfügt, hält sich gern auch für kulturell überlegen - das war im Umgang der Habsburgermonarchie mit den Balkanländern nicht anders. Einige dieser Vorurteile sind auch heute noch wirksam. Gerade in Österreich ist noch immer eine deutliche Ablehnung gegenüber jenen Nachbarn zu spüren, mit denen man einmal eng verbunden war.
Abgesehen von allen Gefühlen gibt es aber auch eindeutig wirtschaftliche Faktoren der Ablehnung. Als fremd werden besonders jene Menschen wahrgenommen, die etwas wollen.
Besonders dann, wenn es um elementare Dinge des Lebens gehe wie Arbeit, Wohnen und Essen, würde fast reflexartig eine Abwehrhaltung gegen jene eingenommen, die uns diese Dinge streitig machen könnten, meint der Ethnologe Konrad Köstlin von der Universität Wien.
Der abgewiesene Andere
Es scheint so, als ob in einer Gesellschaft in der eine Identitätsschwäche vorhanden ist, man besonders viel Fremdes als Gegenüber braucht um sich selbst zu definieren. Besonders in Zeiten der Globalisierung scheint die Bedeutung des Fremden und die Angst davor zuzunehmen, da sich die Menschen in vielen Völkern durch die schlechter werdende soziale Lage bedrängt fühlen.
Unter diesen Gegebenheiten fällt es laut Köstlin zunehmend schwer, sich mit Fremden auseinanderzusetzen, geschweige denn sie zu akzeptieren. Zugewanderte - auch in zweiter oder dritter Generation - bleiben sehr oft abgewiesene Andere.
Download-Tipp
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