Alles für die Nase?
Winterduft
Tag für Tag wird man von einer künstlichen Duftwelt umgarnt - saisonal natürlich abgestimmt. Während der Weihnachtszeit hat es selbstverständlich nach Zimt, Nelken und eben Weihnachten zu duften. Doch wie riecht das? Greifen Sie zum Klopapier!
8. April 2017, 21:58
Nein! Entwarnung! Das wird nicht das tausendzweihundertsiebzigste Lamento über den Gestank aus den Punschhütten. Dies ist vielmehr ein Lifestyle-Ratschlag. Zuviel Punsch erwischt? Sie stehen reihernd über ihre Kloschüssel gebeugt. Was passt dazu aromamäßig am besten? Winterduft.
Aber langsam. Wonach riecht denn der Winter? Wenn er einmal da ist, riecht er gar nicht mehr. Kann die Nase vor Kälte nur noch rinnen, vermag sie nichts mehr zu riechen. Das ist ja das Schöne am beginnenden Frühling, dass wir wieder Düfte wahrnehmen. Jeder Hundehaufen ruft uns olfaktorisch zu: Der Lenz ist da! Aber der Winter riecht nicht. Nur im Spätherbst, an den ersten wirklich kalten Tagen, da heben wir manchmal das Näschen, schnüffeln und sagen: Es riecht nach Schnee. Tatsächlich meinen wir damit: Ich schnüffle und schnüffle und kann eigentlich gar nichts mehr riechen, denn es ist nur noch kalt. Wenn der Nase friert, behauptet sie, der Schnee dufte.
Weil man ein Sinnesorgan nicht ein halbes Jahr lang still legen sollte, die Nase könnte ja aus der Übung kommen, verschafft man ihr seit Menschengedenken winterliche Indoor-Geruchserlebnisse. Seit allerdings kaum noch jemand mit offenen Kaminen oder stinkenden Kanonenöfen heizt, werden flächendeckend fernöstliche Räucherstäbchen als Ersatz angeboten. Weil nun fast alle ihre Bettwäsche regelmäßig dem 40-Grad-Programm zuführen, stinkt auch die menschliche Liegestatt nicht mehr. Nur für die Nase wird deshalb dem Waschpulver Flieder- oder Heublumenaroma zugesetzt, damit die alten Zustände wieder hergestellt sind. Die Zahl der Nichtraucherhaushalte steigt? Kein Problem, der Nase kann trotzdem etwas geboten werden: Formschöne Raumaromatisierer mit Batterie und Quirl, Duftnote Rose oder Ozean.
Sie kaufen das natürlich alles nicht. Recht haben Sie. Aber passen Sie ja auf, dass Sie sich beim Einkauf nicht vergreifen. Ist mir passiert. Man weiß ja, wo im Supermarkt das Klopapier liegt, das man immer kauft. Ein Griff, schon liegt es im Wagen. Öffnet man zu Hause die Verpackung, verschlägt es einem den Atem wie von einer Kilopackung Tee der schrecklichen Sorte Weihnachtszauber. Zimt- und Nelkenaroma im Überfluss. Auf dem Klopapier! Es heißt Winterduft. Steht eh groß drauf, wie konnte man das übersehen! Wenigstens mein Klo wollte ich vorweihnachtsfrei halten. Aber das Klo stinkt jetzt nach der Abluft einer Lebkuchengroßbäckerei.
"Bringt Vorweihnachtsfeeling", behauptet des Klopapiers Homepage. Und: "Eine lustige Geschenkidee für ihre Freunde". Ja, um sie für immer los zu werden. "Durch eine repräsentative Umfrage von Verbrauchern zum Produkt des Jahres gewählt". Na, zum Glück nicht durch eine Umfrage unter Verbrauchern. "Von der Lebensmittelpraxis mit der Goldmedaille ausgezeichnet". Lebensmittelpraxis? Klopapier als Lebensmittel? Kann man es mit heißem Wasser aufgießen? Wird dann Zimttee daraus? Dieses Produkt ist doch nicht für die Nase. Es ist für den Arsch. Dem kann auch der Hersteller nicht widersprechen.