Musikalische Forschungen zu Minderheiten in Österreich

Sevdalinke, Kolo und Saz

In den letzten Jahren hat es viele Publikationen über Minderheiten und deren musikalischen Traditionen in Österreich gegeben. Dabei wurde die Musik der Bosnier, der Roma, der Serben oder der Türken genauso beleuchtet wie neue Musikgattungen.

Österreichs alte Kaiserhymne basiert auf einer kroatischen Melodie. Ein typisches Beispiel für ein Land, das über viele Jahrhunderte von Migration geprägt war. Solchen und anderen regionalen Musikkulturen widmet sich die Ethnomusikologie, ein Zweig der Volksmusikforschung.

Der Umgang mit der Musik aus der Heimat

Die Gründe für die Einwanderung nach Österreich sind mannigfaltig und prägen den Umgang mit der Musik aus der alten Heimat. Flüchtlinge integrieren sich in der Regel schneller, während Arbeitsmigranten oft das Gefühl haben, einzig zum Geldverdienen in der Fremde zu leben.

Bei autochthonen Minderheiten spielt die Musik eine spezifische Rolle. Der "Krowodn-Rock", das politische Manifest der burgenländischen Kroaten, wäre ohne Diskriminierung gar nicht entstanden.

Die Funktion der Musik

Die Ethnomusikologie untersucht auch die Funktion, die die Musik bei den Angehörigen der Minderheiten einnimmt. So haben Migranten und Minderheiten ihre eigenen Feiertage - das Nevroz-Fest, also das Frühjahrsfest der türkischen Aleviten zum Beispiel, einer muslimischen Religionsgruppe. Oder auch Beschneidungsrituale und Hochzeiten, die anderen Traditionen folgen, als wir sie kennen.

Musik kann in diesem Zusammenhang Integration bedeuten, die Tradition weiterleben lassen oder eine Brücke zur neuen Heimat sein, zur Erhaltung der Identität genauso wie als Abgrenzung dienen.

Die Saz

Die Saz stammt ursprünglich aus Mittelasien. Anfangs haben nur die Minnesänger, die Asiks, die Kunst des Saz-Spiels beherrscht und galten als angesehene Unterhalter. In der Türkei und am Balkan zählt sie zu den wichtigsten Instrumenten: in Bulgarien als Rzva oder Bulgari, in Bosnien - oder auch im Burgenland - als Tamburica. Sie hat in der Regel sieben Saiten, heute wird sie manchmal auch - wie die E-Gitarre verstärkt. Sie ist nach wie vor das wichtigste nationale Instrument der Türken.

Bei den Saz-Spielern, die der 2. oder inzwischen schon 3. Generation angehören, bemerken die Ethnomusikologen inzwischen eine neue Spielweise. Von der Populärmusik beeinflusst sind nun Akkorde zu hören, ältere musikalische Nebenfiguren und Melismen kommen im Spiel nicht vor.

Die Sevdalinke

Sevdah ist ein Wort aus dem Türkischen und bedeutet soviel wie "Liebessehnsucht". Vor etwa 300 Jahren haben sich die Sevdalinke aus serbisch-bosnischer Volksmusik und türkisch-arabischer Musik bei den gehobenen Schichten in Bosnien entwickelt. Bald wurde der Stil von allen Schichten und Bevölkerungsteilen übernommen - den serbischen, kroatischen und muslimischen Einwohnern.

Kolo

Kolo bedeutet "Tanz" bzw. "Tanz im Kreis" und wurde ursprünglich getrennt nach Geschlecht getanzt. Kreistänze werden je nach Land mit unterschiedlich bezeichnet, das Prinzip aber ist immer dasselbe. Besonders beliebt ist der Uzicko Kolo, benannt nach einer serbischen Stadt.

Unter Tito wurde er in ganz Jugoslawien gelehrt, heute gilt er als "serbischer" Tanz. Bei den Zuwanderern aus dem ehemaligen Jugoslawien aber gehört er allerdings nach wie vor zu jedem Fest.

Verlorene Lieder

Viele Liedgattungen von Zuwanderern sind in Österreich weitgehend verschwunden. Klagelieder zum Beispiel, die in verschiedenen Regionen Südosteuropas nach wie vor gesungen werden.

Immigranten der älteren Generation klagen manchmal noch am Bett des Verstorbenen, nicht aber auf Friedhöfen, weil es diese Tradition in Österreich nicht gibt.

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