Ein Studiogespräch über Für und Wider

Tempo 160 - ein Wahnsinn?

Am 2. Mai nächsten Jahres wird man erstmals in Österreich ganz legal 160 km/h fahren dürfen, und zwar auf einer Teststrecke der Tauernautobahn zwischen Spittal und Paternion. Dieser Vorstoß von Vizekanzler Gorbach hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst.

Ausschnitt aus der hitzigen Journal-Debatte

Am 2. Mai nächsten Jahres wird man, so es das Wetter zulässt, erstmals ganz legal 160 km/h auf der Autobahn fahren dürfen - und zwar auf einer zwölf Kilometer langen Teststrecke der Tauernautobahn in Kärnten zwischen Spittal und Paternion.

Das Projekt von Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach ist schwer umstritten, die Reaktionen dazu mehrheitlich negativ. In einer Studiodiskussion im Ö1 Journalstudio diskutierten darüber unter der Leitung von Ernest Hauer Vizekanzler Hubert Gorbach, der Leiter der Interessenvertretungsabteilung des ÖAMTC, Mario Rohracher, und der Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Othmar Thann.

Tempo 160 - "ursuper" oder "zum Fürchten"?

"Erstens ist Furcht kein Begleiter meiner politischen Aktivitäten und auch ein schlechter Wegbegleiter, wie man weiß, und zweitens - glaube ich - es ist kein Wahnsinn, dass ein Politiker etwas, was schon jahrelang nicht nur bei Stammtischen, sondern auch auf politischer Ebene diskutiert wird, auch einmal sehr realitätsbezogen offiziell zur Diskussion stellt und sagt, ich schau mir das einmal an, ich mache Tests und hole Erfahrungen ein", meint Vizekanzler Gorbach.

Der Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Othmar Thann, hält schon allein die Diskussion um Tempo 160 für nicht sinnvoll: "Man kann natürlich über alles diskutieren, aber man muss sich überlegen, wozu eine Geschwindigkeitserhöhung dient? Gibt es Vorteile für diese Geschwindigkeitserhöhung bzw. überwiegen die Vorteile gegenüber den Nachteilen?"

Im Sinne der Verkehrssicherheit

Auf die Frage, ob es im Interesse der Autofahrer sei, schneller fahren zu können, meint Mario Rohracher, Leiter der Interessenvertregungsabteilung des ÖAMTC, dass es eigentlich schade sei, dass sich die Fokussierung so sehr auf Tempo 160 oder nicht 160 einstellt:

"Ich glaube, dass diese Frage etwas am Kern dieses Themas vorbeigeht. Worum geht es? Es geht um Flexibilisierung von starren Grenzen, und es geht um Anpassung der Geschwindigkeit an Verkehrsbedingungen. Das heißt: Wir erwarten ja nicht, dass es hier eine absolute Hinaufregelung des Tempolimits an Stellen geben wird, sondern wir erwarten fast eher, dass es öfter zu einer Herabregelung der Geschwindigkeit kommen wird - im Sinne der Verkehrssicherheit".

Deregulierung oder Flexibilisierung?

"Ich habe das Wort Flexibilisierung von Beginn dieser Diskussion an im Sommer 2003 verwendet", sagt Hubert Gorbach und hofft, "dass mit Installierung der so genannten Verkehrsbeinflussungsanlage auch die Geschwindigkeit flexibilisiert werden kann; das heißt, dass sie dann, wenn's gefährlich wird, nach unten reguliert wird, durch einen Computer , nicht durch Willkür von irgendeinem Herrn, der an der Schaltzentrale sitzt. Ich habe auch gemeint, dass die Geschwindigkeit den Umständen angepasst wird, auch an das, was angezeigt und vorgeschrieben wird", argumentiert der Vizekanzler und betont, dass dies ja auch schon im Gesetz steht, nämlich dass der Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeit den Umständen anpassen muss :

"Dass dies natürlich nicht immer eingehalten wird, ist auch klar. Manche tun sich eben ein bisschen schwer damit. Daher soll ja diese Flexibiliserung eine Hilfe sein, und daher habe ich schon damals gesagt, vielleicht kann man dann, wenn herunterflexibilisiert wird, weil es eben notwendig ist, auch etwas nach oben öffnen; da ist 130 km/h kein Dogma für mich; ich stell mir halt bis zu 160 km/h vor, wenn es die Umstände erlauben. Nie flächendeckend, das habe ich nie gesagt, immer begleitend, mit einigen Maßnahmen, und nur unter der Voraussetzung, dass die Verkehrssicherheit nicht darunter leidet, weil Verkehrssicherheit ist für mich nach wie vor das oberste Gebot".

Akzeptanz der Autofahrer wichtig

Direktor Othmar Thann hingegen hält an jenem Passus im Gesetz fest, der derzeit generell Tempo 130 km/h als oberstes Limit vorsieht. Demgegenüber meint der Vizekanzler, der Gesetzesgeber sei aber auch verpflichtet, nach unten zu flexibiliseren, wenn es die Sicherheit notwendig mache. Wichtig sei - so Gorbach - die Akzeptanz, dass eben der Verkehrsteilnehmer auch verstehe, warum er jetzt eine 80 km/h-, eine 100 km/h- oder 130 km/h-Beschränkung habe, und erklärt dies anhand eines Beispiels:

"Das Wetter ist flexibel, nicht statisch, sondern dynamisch, es verändert sich, auch die Verkehrsdichte ist flexibel und verändert sich. Wenn ich jetzt auf einer Strecke, wo ich grundsätzlich eigentlich 130 km/h fahren lassen kann, auf 80 km/h oder 100 km/h reduziere, dann ist das im Sinne der Sicherheit. Dazu brauche ich eine Verkehrsbeeinflussungsanlage. Es gibt aber auch Strecken, wo ich nur 100 km/h fahren kann, wo wenig Verkehrsdichte und gute Sicht ist und auch die Straße dafür geeignet ist, 120 km/h oder 130 km/h oder gar mehr als 130 km/h zu fahren, ohne die Sicherheit wesentlich zu gefährden. Genau dieser Punkt ist es, worauf ich hinaus will".

Starre 130 kein Sicherheitsgarant

Verkehrsexperte Othmar Thann sieht dennoch das Projekt des Vizekanzlers als Versuch, Tempo 130 langsam aufzuweichen und den Autofahrern zu suggerieren, auch eine höhere Geschwindigkeit sei noch zulässig. Er meint auch, dass eine gewisse Inhomogenität entstehen werde und weist auf mögliche Gefahren hin: "Jede höhere gefahrene Geschwindigkeit birgt einfach in sich: höhere Anhaltswege, höhere Bremswege. Anfänger und Senioren fahren beispielsweise anders als Routiniers. Daher ist es wichtig, möglichst einheitliche Geschwindigkeiten auf Autobahnen zu haben. Ich plädiere daher durchgehend für 130 km/h, nicht schneller und nicht langsamer, nur langsamer dann, wenn es nicht anders geht, weil die Verhältnisse es nicht zulassen. Alles andere ist nicht im Sinne der Verkehrssicherheit".

Mario Rohracher wiederum widerspricht jener Aussage Thanns: Es gebe jenen gesellschaftlichen Konsens bei Tempo 130 nicht, meint er; im Gegenteil, es gebe eine breite Zustimmung für mehr als 130 km/h. Rohracher führt in diesem Zusammenhang auch einen Vergleich mit Dänemark an, wo im April diesen Jahres das Tempolimit von 110 auf 130 erhöht worden ist und weist darauf hin, dass die Anzahl der Unfälle auf 25 Prozent zurückgegangen ist: "Es ist nicht so eindeutig, dass ein starres Tempolimit unbedingt ein Garant für Sicherheit ist".

Testphase mit Absichten

Vizekanzler Hubert Gorbach verweist anhand des Beispiels unseres deutschen Nachbarn, wo da und dort mehr als 130 km/h gefahren werden kann, darauf, dass dort die Zahl der Verkehrstoten umgelegt auf die Einwohnerzahl nicht höher ist als anderswo und betont abschließend:

"ich möchte hier auch einmal damit aufräumen, dass ich österreichweit 160 km/h zulassen will; nein, ich will es nur dort, wo es der Ausbaugrad der Straßen zulässt. Ich möchte auch einmal mit dem Vorwurf aufräumen, ich hätte immer von Dreispurigkeit gesprochen, und weil ich keine Teststrecke gefunden habe, bin ich jetzt auf Zweispurigkeit zurückgekehrt. Davon war nie meine Rede; im Gegenteil! Ich habe immer von gut ausgebauten zweispurigen oder dreispurigen Straßen gesprochen. Abschließend: Das Ganze ist in einer Testphase, genau, wie ich es angekündigt habe - natürlich mit der Absicht, dass es da und dort, wo ich meine, dass es zulässig und zu verantworten ist, künftig eine 160 km/h-Geschwindigkeitsbegrenzung geben wird".

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