Von der Kunstfigur zur Persönlichkeit
Am Ende des Gartens
Wenn im Ausland von "starken österreichischen Frauen" die Rede ist, dann fällt sehr bald der Name Erika Pluhar. So vielseitig die Wiener Allround-Künstlerin begabt ist, so vielfältig sind die Höhepunkte, Tiefschläge und Wendungen in ihrem bisherigen Leben gewesen.
8. April 2017, 21:58
Erika Pluhar über Verluste im Leben
"Wenn man aufhört, sich zu verändern, wird man wie ein Stein". So das Lebensmotto der Sängerin, Autorin und Schauspielerin Erika Pluhar, die ihre künstlerische Vielfältigkeit immer wieder aufs Neue demonstriert.
Nach ihrem Rückzug als Mitglied des Wiener Burgtheaters im Februar 1999 teilt sich die Allround-Künstlerin nun in ihren Liedern und Büchern mit und tut dies durchaus selbstkritisch und mit großer Offenheit.
Keine Lust auf Posen
Auf das Sich-Verstellen-Müssen hat Erika Pluhar heute keine Lust mehr. Dafür ist in meinem Leben zuviel passiert, sagt sie beim Gespräch in ihrem schönen, alten Haus in Wien-Grinzing. Und in der Tat: Die Allround-Künstlerin musste immer wieder lernen, mit Verlusten weiter zu leben - ein oft schmerzhafter Prozess: das Sterben ihrer Freundin Marisa Mell , der Abschied von geliebten Männern und Wegbegleitern wie Udo Proksch oder Peter Vogel. Und - der Tod ihrer geliebten Tochter Anna ...
"Es war einmal ...
... ein Lebensweg in Liedern", heißt eine schön gestaltete CD-Box mit 59 Liedern von Erika Pluhar - Lieder von 1972 bis herauf zur Gegenwart sind hier auf drei CDs versammelt. Erinnerungen an ihre Jugend sind in ihrem bemerkenswerten Buch "Am Ende des Gartens", das 1977 erschien, enthalten - ein Buch, das von Krieg und Nachkriegszeit erzählt, von der frühen Kindheit, von den Mädchenjahren und den ersten Erfahrungen als Schauspielerin auf der Bühne und beim Film:
Am Ende des Gartens gab es einen Graben, der ziemlich tief war und grasbewachsen ..., ist da zu lesen. Und in diesem Garten in Lemberg beginnt das Sich-Erinnern: "Die Bilder und Empfindungen von damals haben sich tief eingebrannt", sagt Erika Pluhar: "Der Satz 'Kinder bekommen das alles nicht so mit' ist eine Lüge. Kinder bekommen alles mit". Als ihre Familie von Lemberg nach Wien zieht, erlebt sie noch als kleines Mädchen die zahlreichen Bombenangriffe, muss mit den anderen in den Keller, während man draußen das Sirren und Einschlagen der Bomben gehört hat.
Als die Kindheit verloren ging ...
Die Sehnsucht nach einem anderen, schöneren Leben erwachte in ihr. Es war mehr als Sehnsucht. Es war der absolute Wille. So nicht, sprach es in ihr. So will ich es nicht. Der Glanz der Kindheit brach plötzlich ab. Oder hatte sich dieser Bruch in kleinen Schritten vorbereitet? Jedenfalls stand sie vor den Scherben ihrer Kinderzufriedenheit ...
So ist in ihrem Erinnerungsband "Am Ende des Gartens" von dem Wunsch nach einem schöneren Leben zu lesen. Schon als junges Mädchen ist sie Mitglied einer Kindertheater-Gruppe. Sie spielt einen Baum, dann einen Prinzen. Auf der Bühne war wieder etwas von diesem Glanz zu spüren. Und Erika Pluhar beschließt, Schauspielerin zu werden, macht nach der Matura die Aufnahmsprüfung am Max-Reinhardt-Seminar und wird gemeinsam mit Marisa Mell, Senta Berger, Elisabeth Orth und anderen berühmten Namen ausgebildet. Schon als Zwanzigjährige landet sie im Burgtheater, wo sie als ständiges Mitglied mit vielen namhaften Schauspielern wie Alma Seidler, Käthe Gold, Johanna Matz oder Oskar Werner zahlreiche Erfolge auf der Bühne feiert.
Die Flucht in ein anderes Geschick
Am 28. Februar 1999 - am Tag ihres 60. Geburtstages beendet Erika Pluhar ihre 40-jährige Karriere als Schauspielerin an der Burg. Während jener Zeit hat sie auch zahlreiche große Film- und Fernsehrollen gespielt. Auch ihr privates Leben ist abwechslungsreich. In ihrer ersten Ehe ist sie mit dem Industrie-Designer Udo Proksch verheiratet. Schon damals beginnt sie eine Laufbahn als Interpretin berühmter Liedermacher. Nach ihrer Ehe mit André Heller geht sie allmählich dazu über, die Texte ihrer Lieder selbst zu schreiben. Dies ging Hand in Hand mit ihrer sich immer intensiver entwickelnden belletristischen schreibenden Arbeit, die zu mehreren Veröffentlichungen führte.
Als Schauspielerin flüchtete sie gerne in ihre Rollen, schreibt Erika Pluhar über die junge Schauspielerin in ihrem Buch "Am Ende des Gartens":
Die Flucht in ein anderes Geschick, in ein aus der Imagination realisiertes Leben war lebensnotwendig. Sie verkroch sich gern in die Gewänder und Worte einer Person, die nicht sie selbst war. Sie wurde zu einer weiblichen Kunstfigur, zu einer 'Femme fatale'. Als solche konnte sie ihr ängstliches Herz überzeugend verbergen.
Auf gutem Fuß mit sich selbst
Diese Maskierungen sollten sie Jahrzehnte später mit Schauder erfüllen, sodass sie beschloss, den Rest ihres Lebens unerschütterlich bei sich selbst zu bleiben - so sehr, dass man sie oftmals "Selbst-Darstellerin nannte. Sie lehnte sie sich gegen diese Bezeichnung nicht auf. Gut so, dachte sie, "lieber das, als weiterhin und endlos die Darstellerin von Rollen. Lieber auf gutem Fuß mit mir selbst, als auf der Jagd nach guter Meinung über mich. Lieber mich selbst ermächtigen, als Machtinstrument für etwas anderes zu werden. Lieber nie wieder Instrument in anderen Händen sein.
"Aus Tagebüchern, "Als gehörte eins zum andern, Marisa. Rückblenden auf eine Freundschaft, "Am Ende des Gartens, "Matildas Erfindungen, Verzeihen Sie, ist das hier die Endstation?, "Die Wahl" - Erika Pluhar hat als Schriftstellerin bereits viele Bücher veröffentlicht. In ihrem letzten knapp 300 Seiten umfassenden Roman "Reich der Verluste schreibt sie über zwei Frauen, die einander Einblick in ihr Leben geben.
Mit dem Musiker und Komponisten Klaus Trabitsch hat sie einen neuen musikalischen Weggefährten gefunden. Mit ihm hat sie auch die CD "Lieder vom Himmel und der Erde aufgenommen. Für Anna - meine Tochter und meine Mutter ist als Widmung auf dem Plattencover zu lesen.
Ich glaube an das Leben
Die unzähligen Punkte von Gegenwart wurden zu einer Linie, die im Jetzt endet und sich dennoch Punkt um Punkt verlängert. Der Ursprung dieses linearen Lebensweges versinkt bereits hinter dem Horizont des Fassbaren, die Spur verblasst. Solange wir uns erinnern, herrscht Leben. Vergessen ist Sterben. Ist Tod vor der Zeit.
So endet der Band "Am Ende des Gartens". Der Anfang des Lebensweges ist schon nicht mehr fassbar. Und das Ende? Gibt es eine Glaubensvorstellung, die Erika Pluhar hilft, oder tröstet, beim Blick auf dieses Unfassbare?
"Nein, ich glaube an das Leben, ich glaube an das, was Liebe ist und an das, was liebend in uns lebt, dass Menschen, die gegangen sind, nicht weg sind, solange wir sie erinnernd und liebend bewahren. Was danach ist, ist mir eigentlich wurscht. Mir ist echt egal, was nach diesem Leben ist, und vielleicht ist mir auch deshalb so wichtig, hier, heute, jetzt zu leben, jeden Augenblick wahrzunehmen, zu ergreifen, und nicht zu sagen dann oder irgendwann oder im nächsten Leben. Nein, nein! - In diesem Leben".
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Erika Pluhar