Wagners "Lohengrin" und Verdis "Falstaff" live in Ö1

Musikalische Antipoden

Beide wurden 1813 geboren, beide gelten als prägendste Opern-Komponisten des 19. Jahrhunderts: Wagner und Verdi. Und beide strebten auf ihre - sehr unterschiedliche - Art eine "glaubwürdige Oper" an. Ö1 sendet "Lohengrin" und "Falstaff" live aus der Staatsoper.

Wagner und Verdi - beide 1813 geboren - gelten als die prägendsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts. Sie strebten beide auf das Ziel der "glaubwürdigen Oper" zu, allerdings auf diametral entgegen gesetzten Wegen. "Wenn Verdi zeigte, wie die Oper zum Drama werden kann, ohne sich als Oper preiszugeben", so der Musikwissenschafter Carl Dahlhaus, "so dokumentieren 'Tristan' und 'Götterdämmerung', wie das Drama zur Oper zu werden vermag und dennoch Drama bleibt".

Während Wagner seinen Zeitgenossen kaum je namentlich erwähnte, sondern abschätzig von "Donizetti & Co." sprach, zollte Verdi seinem deutschen Kollegen durchaus Bewunderung. Nachdem er Bruchstücke aus "Tannhäuser" in Paris kennen gelernt hatte, bezeichnete er zwar Wagner in einem Brief als einen "Verrückten", seine Musik empfand er aber keineswegs als unerheblich; spätestens als er 1871 Zeuge der ersten italienischen Wagner-Aufführung werden sollte, urteilte er voll der Anerkennung über die Instrumentationskunst Wagners - nur eines wollte Verdi nicht, bezichtigt werden, Wagnersche Ideen kopiert zu haben.

"Lohengrin", erste Wagner-Oper in Italien

In der Tat übersahen solche Vorwürfe den Tatbestand, dass es nur äußere klangliche Anregungen waren, die über die grundverschiedenen Konzeptionen des musikalischen Theaters der beiden auch sonst so wesensverschiedenen Komponisten hinwegtäuschten.

Bei der bereits erwähnten ersten Wagner-Aufführung in Italien handelte es sich um "Lohengrin", das sechste Bühnenwerk des Komponisten. Wie zuvor in "Tannhäuser" sind auch hier - nach einem Libretto von Wagner selbst - Historie und Legende verschmolzen. Einerseits ist die Handlung rationell nicht erklärbar, führt in Gebiete des Übersinnlichen, andererseits sind alle Aktionen psychologisch begründet: Anerkennt man die überirdische Herkunft der Titelgestalt, so widersprechen die Verhaltensweisen der Personen nirgends der Logik.

Höhepunkt deutscher Romantik

"Lohengrin" stellt den Höhepunkt der musikalischen deutschen Romantik dar, markiert aber auch den Übergang zum Musikdrama. Entstanden ist die Oper Ende der 1840er Jahre, die Uraufführung fand 1850 in Weimar unter der Leitung von Franz Liszt statt - und in Abwesenheit des Komponisten.

Wagner selbst sollte seine Oper erst elf Jahre nach der Uraufführung persönlich erleben: 1861 an der Wiener Hofoper.

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Verdis Spätphase

Etwa um jene Zeit hatte im Schaffen von Wagners Antipoden Verdi dessen schöpferische Spätphase begonnen; die Jahre jährlicher Verdi-Uraufführungen waren vorbei, der italienische Meister ließ sich Zeit: Nach der "Macht des Schicksals" 1862 vergingen fünf Jahre bis zum "Don Carlos", nach weiteren vier Jahren folgte "Aida" und erst 1887 - Wagner war inzwischen verstorben - "Otello" und 1893 "Falstaff".

Mit dieser seiner letzten Oper legte Verdi mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Misserfolg seiner frühen komischen Oper "Un giorno di Regno" wieder eine Komödie vor, ein Werk, in dem sich Musik und Text (Arrigo Boito hatte das Buch nach Shakespeares "Merry Wives of Windsor" verfasst) gleichwertig ergänzten. Die ganze Oper wird von einem lockeren Parlando beherrscht, eine echte Verdi-Arie im herkömmlichen Sinn sollte nicht mehr vorkommen - ganz im Sinne Wagners war auch hier ein "Gesamtkunstwerk" entstanden.