Im Schatten der barfüßigen Diva

8. April 2017, 21:58

Gabriela Mendes mit "Nos Vivencia" (Ausschnitt)

"Unsere nackten Felsen, unser wildes Meer und unsere wasserlosen Flüsse ..." Es gibt kaum ein Land, das seine karge Heimat so viel und leidenschaftlich besingt wie der kleine afrikanische Inselstaat. Musik ist das Identität stiftende Lebenselixier Kap Verdes.

Knapp 1.000 Kilometer westlich von Senegal liegt dieser Archipel - eine Handvoll Inseln mit trockenen, vulkanischen Landschaften und kärglicher Vegetation - Sahelzone mitten im Meer. Traurige Bedeutung erreichte Kap Verde als wichtigstes Zwischenlager für den Sklavenhandel nach Südamerika. Dazu noch einige Salinen, ein Hafen, der als Kohlelager für Atlantik-Überquerungen von Dampfschiffen diente, und eine Relaisstation für transatlantische Telegrafenkabel. Das war's dann auch schon, was Kap Verde für den Rest der Welt zu bieten hatte. Oder vielleicht doch nicht?

Heimat und Exil

Die Bevölkerung Kap Verdes ist eine bunte Melange aus ehemaligen Sklaven aus allen Gebieten Westafrikas, portugiesischen und anderen europäischen Seefahrern, Geschäftsleuten und Abenteurern. Dass die Kreolen oft von Hungersnöten und Trockenheit heimgesucht wurden, war den portugiesischen Kolonialherren weitgehend egal. Sie reagierten mit Zwangsaussiedelungen, z. B. auf die Inseln Sao Tomé und Principe, wo Landarbeiter gebraucht wurden.

Musik als Identität

1975 erlangte Kap Verde die Unabhängigkeit von Portugal, und auch heute ist das Land geprägt von freiwilliger und unfreiwilliger Auswanderung, sodass mehr als zwei Drittel aller Kapverdianer im Ausland leben. Kann ein so junges, durchmischtes Land, das nicht einmal genügend Ressourcen hat, um seine eigene Bevölkerung zu ernähren, kann so ein Land Heimat sein? Ja! - sind die Kapverdianer überzeugt. Doch diese Überzeugung bedarf einer ständigen Bekräftigung und findet sie in der Musik.

Leitmotiv Sehnsucht

Die Musik Kap Verdes ließ afrikanische, europäische und südamerikansiche Einflüsse verschmelzen. Und doch ist gerade diese Mischung das stärkste Identität stiftende Element des Landes. Die Sehnsucht und die Liebe zur Heimat sind das Leitmotiv der kapverdischen Musik, Stile wie Morna, Coladeira, Batuque und Funana ihre Ausdrucksformen.

Die musikalische Botschafterin

International bekannt ist eigentlich nur die Sängerin Cesaria Evora - "die barfüßige Diva". Sie hatte das Glück, entdeckt zu werden, nachdem sie viele Jahre in den Bars ihrer Heimatstadt Mindelo für ein paar Schnäpse als Gage pro Abend aufgetreten war. Heute ist sie die musikalische Botschafterin Kap Verdes für den Rest der Welt und wurde im letzten Jahr für ihr Album Voz d'Amor mit dem Grammy ausgezeichnet.

Es scheint fast so, als würde der internationale Musikmarkt nur eine große Stimme aus Kap Verde vertragen. Doch im Schatten von Cesaria Evora gibt es eine Vielzahl von InterpretInnen zu entdecken, die auf ein ähnliches Glück wie das der verehrten Diva hoffen.

Die neuen Talente

Gabriela Mendes, Lura, Jorge Humberto, Bau, Tito Paris, Dudu Araujo, Teofilo Chantre und andere haben sich in den letzten Jahren mit höchst empfehlenswerten CD-Produktionen hervorgetan. Ihnen allen gemeinsam ist die Liebe zur musikalischen Tradition ihrer (Exil-)Heimat Kap Verde, die sie in neuen Kompositionen und Interpretationen auf vielfältige Weise weiterentwickeln.