Mit chinesischen Liebesliedern zum Erfolg
Soname - Glücksmelodie
Hätte sie nicht damals in Lhasa, als sie mit sechs zum Dienstmädchen gemacht wurde, heimlich die Kassetten mit den chinesischen Liebesliedern gehört und laut mitgesungen, wer weiß, ob sie Jahre später in Brighton entdeckt worden wäre.
8. April 2017, 21:58
Da war also dieses Mädchen, eine kleine tibetische Adelige, die von ihrer verzweifelten Familie in die Hauptstadt geschickt wurde, damit sie der Willkür und dem Terror der chinesischen Besatzung entkommen könne. Sie sollte auf die Kunstakademie gehen, um ihrer schöne, glasklare Stimme ausbilden zu lassen. Aber die hohen Herrschaften meinten, dass sie den Anforderungen nicht entspräche. So landete Soname als Dienstmädchen bei einer reichen Familie. Heimlich hört und singt sie die Musik, die diese Familie damals liebte: chinesische Liebeslieder.
Hochzeit als Karrieresprungbrett
Viele Jahre später - hinter ihr liegen zehn Jahre Aschenputteldasein in Lhasa, eine abenteuerliche Flucht zu Fuß aus den Bergen Tibets, entbehrungsreiche Jahre in Indien, ein halbes Jahr Ehe samt der Geburt einer Tochter, vor ihr ein neues Leben in Großbritannien - wundert sie sich auf einer Hochzeit von Freunden, dass keine Musik gemacht wird. In Tibet würde ein so wichtiger Tag niemals ohne Musik gefeiert, und so steht sie auf und singt zu Ehren des Brautpaares.
Dass die Hochzeiter sie gar nicht mehr aufhören lassen wollten, hätte sie nicht erwartet. Und auch nicht, dass nach der Feier ein Mann auf sie zukam, sich als "Ex-Sex-Pistol" vorstellte und fragte, ob sie nicht mit seiner Band als Sängerin auf Tournee gehen wollte. Natürlich wollte sie, aber es ging nicht: Ihr passloser Zustand als Flüchtling verbot ihr, das Land zu verlassen. Aber dieses Angebot war nur das erste einer langen Reihe.
"... schlimmer als ein dressierter Affe"
Geoff Smith, ein Spezialist für östliche Musik, lud sie ein, gemeinsam beim Brighton Festival aufzutreten. Das gab ihrem Selbstbewusstsein neue Nahrung - und versetzte ihr gleichzeitig einen Schock, denn für eine Tibeterin adeliger Herkunft war Sängerin kein respektabler Beruf. "Spontan zu singen war eine Sache, aber auf der Bühne zu stehen und professionell vor Publikum zu singen, war etwas ganz anderes", schreibt sie in ihrer Autobiografie. "Mir fielen wieder die Worte meines Vaters ein: Wer sich öffentlich hinstellt, um zu singen, ist schlimmer als ein dressierter Affe."
Vielleicht nimmt sie deshalb kein Geld für ihre Auftritte. Vielleicht steckt sie deshalb alles, was sie mit ihrer Musik einnimmt, in humanitäre Projekte - vor allem zum Wohl tibetischer Flüchtlinge und anderer Notleidender in Nordindien. Um ihnen zu helfen, hat sie die Organisation "Roter Lotus" gegründet und das Gyuto Tantric University Hospital errichtet, das die medizinische Versorgung im Exilort des Dalai Lama, Ziel vieler tibetischer Flüchtlinge, sicher stellt.
Sehnsucht nach der Heimat
Als Sängerin und Botschafterin ihrer tibetischen Heimat wird Soname langsam aber sicher zu einer beachtenswerten Größe auf der großen Bühne der Weltmusik, auf der sie seit 1998 präsent ist. Im Moment tourt sie nach erfolgreichen Auftritten in Deutschland, in Venezuela und dann durch Italien.
Ihre große Sehnsucht gilt nach wie vor ihrer gequälten Heimat. All die Jahre, die sie nun in Großbritannien lebt, sammelt sie Haare, die beim Frisieren in ihrem Kamm hängen geblieben sind. Eines Tages wird sie diesen mittlerweile ziemlich schweren Sack zu dem Heiligen Berg bringen - oder bringen lassen -, der die letzte irdische Station ihrer Mutter war. Denn zumindest ein Teil ihres Körpers soll in die Heimat zurückkehren dürfen.
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Soname Yangchen und Vicky MacKenzie, "Wolkenkind", Verlag Droemer
Verlag Droemer - Wolkenkind
Soname
Roter Lotus