Per Olov Enquist - Bestsellerautor aus Schweden
Ich bin ein "Verkündiger"
Als Theater- und Literaturkritiker begann er seine berufliche Laufbahn. Heute zählt Per Olov Enquist zu den bekanntesten Bestsellerautoren. Seine Werke sind vor allem aus Erfahrungen gekennzeichnet, die er in seiner nordschwedischen Heimat gemacht hat.
8. April 2017, 21:58
Erinnerungen an seine Jugend
"Meine Mutter wollte, dass ich Priester werde, aber leider bin ich nur Schriftsteller geworden. Aber es gibt ein schwedisches Wort: 'Verkündiger' - ein Priester, aber auch ein Poet kann das sein oder ein Autor; es ist ein unklarer Begriff, doch ich schreibe vielleicht auch manchmal unklar, und ich denke: vielleicht bin ich ein Verkündiger",
sagt Per Olov Enquist, einer der bekanntesten schwedischen Schriftsteller, dessen Werke auch ein großes deutschsprachiges Publikum erreicht haben.
Streng religiös erzogen
Die Kindheit von Per Olov Enquist war von Geboten und Verboten gekennzeichnet: "Meine Mutter ist meine Familie, mein Vater ist gestorben, als ich sechs Monate alt war, ich habe ihn nicht gekannt. Mutter war Lehrerin in unserem sehr kleinen, sehr religiösen Dorf, das nur aus meiner Familie bestand. Ich habe 42 Kusinen. Ich glaube, es herrschte auch ein bisschen Inzucht, denn in den 80 Einwohner zählenden Hjoggböle gibt es viele Dorfidioten, aber auch viele Autoren - vielleicht ein Resultat von Isolation?"
Isolation könne aber auch positiv wirken, meint Enquist: "Die strenge Religiosität, die ich von zu Hause mitbekam, ist doch eine Konzentration auf die existenziellen Fragen der Menschen: Was ist gut, was ist schlecht, was ist Himmel, was Hölle? Warum leben wir eigentlich auf dieser Erde?"
Über den Sinn des Lebens
Die Religiosität seiner Mutter und ihre Wünsche seien - so der Schriftsteller - aber nicht auf ihn persönlich "übergegangen". Auch die Antworten, die die Religion gegeben hat, haben ihn nicht zufriedengestellt. Denn für Per Olov Enquist liegt das Leben eines Menschen nicht in den Händen Gottes: "Jeder hat die individuelle Freiheit zu handeln, wie er es für richtig hält", sagt er und vergleicht das Leben mit einem Pfund, das man bekommt, um es zu verwalten, daraus etwas zu machen:
"Alle Menschen haben die Möglichkeit, dieses Pfund zu bearbeiten; es ist niemals zu spät, nicht einmal am letzten Tag seines Lebens. Aber man muss es unbedingt tun. Das ist das Geheimnis des Lebens. Es gibt keinen Gott, der das sagt, es ist das Leben - vielseitig, dynamisch wie ein Organ. Es gibt keine Hierarchie in diesem Leben, nur eine Kraft, die arbeitet, um zu verbessern. Man ist allein dafür verantwortlich, was man tut", betont er und stellt einen Vergleich mit dem alten Film "Solaris" her: "Dieses Solaris-Meer: Ich glaube, das Leben ist wie ein lebendiges Meer. Plötzlich kommen Häuser, Kinder, Landschaften und verschwinden wieder, wie ein lebendiger Organismus".
Keine Schimpfwörter
Per Olov Enquist schöpft immer wieder aus Erfahrungen, die er in seiner nord-schwedischen Heimat gemacht hat. Das damalige Leben und die Erinnerungen daran hat er in seinen Büchern "konserviert". In seinem Werk "Die Kartenzeichner" etwa beschreibt er auch die Beziehung zu seiner Mutter, die ihm sehr viel bedeutete:
"Sie hat meine Bücher gelesen, und es war ihr zum Beispiel sehr wichtig, dass ich keine bösen Worte geschrieben habe - also Schimpfwörter. Deshalb kann man in meinen ersten zehn Romanen auch keine Schimpfwörter finden. Wenn man mich fragt, was bedeutet für dich sehr viel, dann ist es wahrscheinlich meine Mutter. Das hab ich nicht gesagt, als ich 15 oder 50 Jahre alt war, aber jetzt bin ich 71 und verstehe vielleicht etwas mehr von inneren Werten und Wertsystemen". Und Wertsysteme hat Per Olov Enquist viele durchlebt ...
Sein Werdegang zum Schriftsteller
1965 begann er als Theater- und Literaturkritiker zu schreiben. Anfang der 1960er Jahre engagierte er sich in der Kulturpolitik, war Mitglied in öffentlichen Gremien, so auch im Schwedischen Kulturrat und im Rundfunkrat. Er moderierte auch eine Talkshow im Fernsehen. Durch ein Künstlerprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes kam Enquist Anfang der 1970er Jahre nach Berlin, wo er ein Jahr blieb. Es folgten drei Jahre in Paris, ein Jahr in Los Angeles und 15 Jahre in Kopenhagen: "Ich habe viele Wertsysteme gesehen und Vieles gelernt, und nach 71 Jahren kommen die ersten Wertsysteme zurück, von diesem kleinen Dorf, der alten Mutter, und das ist ein bisschen komisch".
Seit 1977 ist er freier Schriftsteller und setzt sich auch für die gewerkschaftliche Organisation von Schriftstellern ein. Bekannt wurde er vor allem mit seinem historischen Roman "Der Besuch des Leibarztes", in dem er sich mit der Beziehung des Arztes und Politikers Struensee zur dänischen Königin Caroline auseinandersetzte. Enquist geht es dabei nicht primär um historische Wahrheit, sondern darum, aus welcher Motivation heraus Menschen handeln und wie sie sich in verschiedene Beziehungen verstricken.
Das war alles?
Der heute 71-jährige Autor lebt mit seiner Frau in Waxholm, in der Nähe von Stockholm. In seiner jüngsten Publikation "Das Buch von Blanche und Marie" entwickelt Enquist rund um die realen Protagonistinnen - Blanche Wittman, die als "Königin der Hysterikerinnen" in die Geschichte eingegangen ist, und die Physikerin Marie Curie - eine Geschichte über die Suche nach Liebe. Aber auch wenn er sich in diesem Buch mit der Psychoanalyse auseinandergesetzt hat, bleibt er persönlich sehr reserviert:
"Zu einem Psychoanalytiker zu gehen, klappt bei mir nicht. Über traumatische Erlebnisse kann ich schreiben, aber ich kann sie nicht bei einem Psychoanalytiker deponieren. Ich bin Autor und versuche, schwierige Fragen zu beantworten, etwa warum sind wir, wie wir sind oder warum lebe ich, und diese Fragen werden mehr und mehr akut, je älter ich werde. Ich habe vielleicht noch 15 Jahre zu leben und frage mich, was habe ich getan? Da gibt es religiöse Antworten - es gibt den Himmel, das Leben nach dem Tod - das glaube ich nicht; oder man sagt: Man lebt mit den Kindern. Ja, natürlich. Ich habe zwei Kinder, vier Enkel und die Bücher, gut. Wie lang die leben, weiß ich nicht, und ich frage mich: War das alles? Solche Fragen bekommen mehr und mehr an Bedeutung. Und ich glaube, das Endwort ist ja, das war alles".
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Wikipedia - Per Olov Enquist