Wie man seine Monster zähmt

Daphne, Ralf und andere Monster

Johnny meint, ich sollte wieder über ihn schreiben. Oder über den Kurden. Und ich? Ich schreibe über Monster, und zwar solche, die nicht unter dem Bett leben. Sondern sich die Fingernägel lackieren, Kakao trinken und Daphne heißen. Oder Ralf. Oder Mama.

Heute schreibe ich über Monster. Nicht über die unter meinem Bett. Unter meinem Bett gibt es nichts, nicht einmal Monster, weil kein Luftraum, sondern gleich Boden. Soll heißen: Matratze auf Lattenrost auf Boden. Ich hatte ein wunderschönes, riesengroßes Bett in Kniehöhe. Es verursachte dem Kurden Kreuzweh. Und es ist ungemütlich, morgens um fünf neben dem Kurden aufzuwachen, der sitzend versucht, in Kopf-zu-Knie-Stellung sein Kreuz wieder einzurenken.

Johnny hat jetzt das kniehohe, wunderbare Doppelbett, und er liebt es. Ich bin mir sicher, er würde es mit dem Inhalt, für den man ein Doppelbett eigentlich braucht, noch mehr lieben. Nun ja. Das Problem ist, dass es der Inhalt, von dem wir hier sprechen, im Moment ohne Kehrgerät gar nicht von der Tür bis zum Bett schaffen würde. Johnny ist irgendwie sein eigenes Verhütungsmittel. Er hat diese für Heranwachsende typische Wahrnehmungsstörung, die Unrat betrifft.

Einschub: Was ist eigentlich das Gegenteil von "heranwachsend"? Hinauswachsend? Bin ich eine Hinauswachsende? (…) Ich sollte mehr schlafen.

Eigentlich wollte ich ja über Monster schreiben. Und jetzt dreht sich alles um Betten. (Ich sollte wirklich mehr schlafen.) Also, Monster. Letztens erzählte ich, wie mich die Krise besuchte, von wegen Ende 30 und es wäre an der Zeit, sich mit ihr auseinander zu setzen. Und ich erzählte auch, wie ich die Krise auf später vertröstet und wieder vor die Tür gesetzt habe.

Jetzt hängt das Ding draußen rum und lauert. Ich tu zwar so, als sähe ich sie nicht, aber echt: Die ist hartnäckig. Ist ja auch meine Krise. Wir laufen so uns so oft über den Weg, dass ich beschlossen habe, ihr einen Namen zu geben. Sie heißt Daphne. Nach Jack Lemmons "Daphne" in "Some like it hot": exaltiert, zickig und zu stark geschminkt. Genauso sieht sie aus. Ich darf vorstellen: Daphne, meine Krise.

Man zähmt Monster, in dem man ihnen Namen gibt. Ich hab mehrere solche Monster um mich, eines zum Beispiel heißt Ralf. Ralf ist die Angst, dass Johnny etwas passiert. Immer, wenn mir diese Angst in die Seele greift, weil ich etwa höre, was anderen Jungs passiert ist, oder Johnny vom L17-Führerschein anfängt und mir klar wird, dass er größer ist als ich - zu groß, um von mir davor beschützt zu werden, sich sein süßes Köpfchen an Tischkanten zu stoßen, ... immer dann weiß ich, dass Ralf wieder da ist.

Dann gehen Ralf und ich auf einen gepflegten Kaffee und versuchen, den Knaben ziehen zu lassen.

Alle Eltern erzählen, wie toll der Nachwuchs ist. Über die Panikattacken, die mit dem Kind und den Sabberlätzchen mitgeliefert werden, redet fast keiner. Wie auch immer, die Monster zu zähmen, hilft. (Ich hab's nicht erfunden, sondern vor Jahren ein gutes Buch gelesen: "Die Zähmung der Monster", Michael White, David Epston, Auer Verlag.)

Also: Daphne und Ralf werden sich demnächst kennen lernen.

Übrigens: Wie gewöhnt man seinem Sohn ab, nach dem Duschen das Handtuch zu benutzen, das man selbst grad verwendet? Er meinte, es wäre ja egal, weil eine Familie. Ich meinte: Ok. Ich hab übrigens meine Tage. Seitdem ist mir mein Handtuch sicher.

Jeder hat seine Monster. Und Johnny hat mich.

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