Die verborgene Wirklichkeit

Caché

In Cannes preisgekrönt, für den Auslands-Oscar nicht zugelassen und jetzt endlich bei uns im Kino: Diese Woche startet Michael Hanekes jüngster Film "Caché" in Österreich. Der irritierende Polit-Thriller lässt viele Deutungen zu.

Michael Haneke im Gespräch mit Hans Langsteiner

Ein angesehener französischer Fernsehmoderator erhält anonyme Videos zugeschickt. Sie zeigen die Front seines Hauses, aber auch vertrauliche Details aus seiner Vergangenheit. In der bis dahin heilen Familie des Mannes beginnt sich Misstrauen auszubreiten. Davon handelt "Caché" (Verborgen), der neue Film des mittlerweile auch in Frankreich tätigen österreichischen Starregisseurs Michael Haneke.

"Caché" markiert einerseits die Rückkehr Hanekes zu den intimen Familientragödien seiner früheren Jahre ("Der 7. Kontinent", "Bennys Video"), schließt aber andererseits an die kritischen Gesellschaftsanalysen a la "Code unbekannt" an.

Das Ende aller Sicherheit

Der Form nach ein Thriller, erzählt "Caché" in Wahrheit vom Ende aller Sicherheit. Scheinbar gefestigten Familien droht der Zerfall, politisch verdrängte Vergangenheit vergiftet die Gegenwart und Bilder, die man für authentisch hielt, erweisen sich als (auch technisch) manipuliert.

Er habe schon immer die Formen des Genre-Kinos benützt, sagt Haneke zum Thriller-Stil des Films, um darin Wesentliches zu erzählen. Man dürfe dem Genre-Kino nur nicht in die Falle gehen und alle Rätsel lösen. Von der Lösung alles Rätsel kann hier denn auch keine Rede sein: Noch das ruhige Schlusstableau, eine Totale auf eine Straßenszene, führt zwei Handlungsträger so zusammen, dass sich daraus neue Fragen ergeben.

Zurück bis zum Algerienkrieg

Die Handlung von "Caché" führt nicht zuletzt zurück zum französischen Polit-Trauma des Algerienkrieges Mitte der Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts - für Haneke nur ein Beispiel für die generelle Verdrängung unbequemer Tatsachen. Sein vielschichtiges Thema verhandelt der Film jedenfalls einmal mehr mit makelloser Meisterschaft: Zur Gänze auf hoch auflösendem Videomaterial gedreht, entpuppen sich Szenen bisweilen erst im Nachhinein als Teil der anonymen Videos; Stars wie Juliette Binoche und Daniel Auteuil zeichnen unter Hintanhaltung jeder Eitelkeit scharf umrissene Porträts, und eine Schockszene kommt so grausam unerwartet, dass bei der Uraufführung des Films in Cannes mehr als tausend Zuschauer in der selben Zehntelsekunde aufstöhnten.

Für den Europäischen Filmpreis, der Anfang Dezember vergeben wird, ist "Caché" sieben Mal nominiert. Hoffentlich bleibt die überragende Qualität dieser Arbeit den Juroren nicht verborgen...

Caché
Frankreich, Österreich, Deutschland, Italien, 2005
mit: Daniel Auteuil, Juliette Binoche, Maurice Benichou, Annie Girardot
Drehbuch und Regie: Michael Haneke