Zum 120. Geburtstag Aureliano Pertiles
Ein Jahrhundert-Tenor
Beide wurden in Montagnana geboren und beide zählten sie zum engsten Kreis der potentiellen Caruso-Nachfolger: Giovanni Martinelli und Aureliano Pertile (1885-1952), der "Jahrhundert-Tenor" Toscaninis. Am 9. November wäre er 120 geworden.
8. April 2017, 21:58
Beide zählten sie zum engsten Kreis der potentiellen Caruso-Nachfolger, konnten aber dieses oft hinderliche Etikett bald ablegen und jeder für sich ein eigenes Reich beherrschen: Giovanni Martinelli die New Yorker Met, Aureliano Pertile (1885-1952) die Mailänder Scala. Und deshalb konnten sie beide ein Leben lang Freunde bleiben.
Arturo Toscanini war beiden ein wichtiger Mentor, vor allem aber Aureliano Pertile gilt bis heute als der Tenor Toscaninis. Und noch etwas hatten sie gemeinsam - ein merkwürdiger Zufall, oder eine besondere Sternen-Konstellation: Beide wurden vor 120 Jahren in dem kleinen mittelalterlichen Städtchen Montagnana in der Provinz Padua innerhalb von nur wenigen Tagen geboren.
Überragende musikalische Intelligenz
Die Qualität seines Stimm-Materials mag an sich nicht mehr als guter Durchschnitt gewesen sein - und natürlich auch Geschmackssache. Was Pertile allerdings aus diesem Material in Verbindung mit einer überragenden musikalischen Intelligenz herausholte, ließ ebenso sein nicht gerade einnehmendes Äußeres vergessen.
Insgesamt umfasste Pertiles Repertoire an die 60 Partien, darunter auch eine Reihe von Uraufführungen.
Höchstes Toscanini-Lob
"Meinem liebsten Pertile, dem unfehlbaren Sänger, dem getreuen Interpreten, dem wunderbaren Künstler in vielen verschiedenen Opern, nie genug gepriesen ... " - diese Widmung des sonst so strengen und unnachgiebigen Toscanini für Aureliano Pertile sagt alles.
Und sie entkräftet auch die manchmal auftauchende Kritik, Pertile habe immer in höchster Anspannung gesungen, sozusagen unter Hochdruck. Das bezieht sich offenbar meist darauf, dass eine CD von heute an die 80 Minuten Spielzeit hat. Und dadurch reiht sich beim Anhören von Aufnahmen Pertiles natürlich oft ein extatischer Höhepunkt an den nächsten. Verteilt man diese Hochspannung jedoch auf eine ganze Oper, so kann sich wohl kaum jemand der Wirkung dieses Jahrhundertkünstlers entziehen.
Lebensrolle "Lohengrin"
Die Titelpartie in Wagners "Lohengrin" war eine Rolle, die sich wie ein roter Faden durch die Karriere und die Diskografie von Aureliano Pertile zieht. 1919 in Turin hat Pertile seinen ersten Lohengrin gesungen, war dann auch in anderen Städten Italiens in dieser Partie zu erleben. Ebenso in Buenos Aires, vor allem aber in seinem Stammhaus, der Mailänder Scala. Und auch in der Arena von Verona ist er immer wieder als Lohengrin aufgetreten, merkwürdigerweise nie unter Toscanini.
Unter dessen Leitung hat er zwar mehrfach seine zweite Wagner-Rolle, den Walther von Stolzing in den "Meistersingern", gesungen.
Zwei "Nerone"-Uraufführungen
Eine Bühnenfigur hat Pertile gleich in zwei Vertonungen aus der Taufe, nämlich den für seine Grausamkeiten berühmt-berüchtigten römischen Kaiser Nero - in den Vertonungen von Arrigo Boito sowie von Pietro Mascagni, die beide von dieser historischen Figur fasziniert waren.
Mascagnis Oper kam 1935 an der Scala heraus, Boitos Version 1924, also rund ein Jahrzehnt früher und somit erst sechs Jahre nach dem Tod des Dichter-Komponisten, der zwar mehr als ein halbes Jahrhundert an seinem "Nerone" gearbeitet, ihn aber nie fertig gestellt hat. Toscanini hat sich außerordentlich um das Werk bemüht. Und als endlich am 1. Mai 1924 die Premiere stattfand, war dies sicherlich die aufwendigste Opern-Produktion seiner gesamten Laufbahn. Dieses posthum uraufgeführte Werk verschwand allerdings mit Toscaninis Rückzug von der Opernbühne auch bald aus den Programmen der Opernhäuser.
Ein später "Othello"
Mit der Titelpartie in Verdis "Othello" hat sich Aureliano Pertile lange Zeit gelassen: Erst 1937 wagte er sich in Malta an diese Rolle heran, die in der Folge dann seine große Alterspartie wurde.
Diesem Werk galten dann auch 1942 seine letzten Plattenaufnahmen. Zu diesem Zeitpunkt war Pertiles Stimme zwar nicht mehr jugendfrisch, trotzdem bestach sie aber noch immer durch höchste Expressivität und emphatischen Ausdruck.
Links
GrandiTenori.com - Aureliano Pertile
Teatro alla Scala