Australiens Wirtschaftsboom und dessen Auswirkungen

Down Under oben auf

Australien ist nicht allein durch seinen Rohstoffreichtum, sondern vor allem durch die konsequente Reformpolitik mehrerer Regierungen zu einem modernen Dienstleistungsland geworden. Beides zusammen bewirkt ein regelrechtes Wirtschaftswunder.

Michael Frantzen über Gründe für den Aufschwung

Australiens Wirtschaft boomt, und das seit Jahren. Dafür gibt es wichtige Gründe: zum einen den Rohstoffreichtum des Landes, zum anderen aber vor allem die konsequente Reformpolitik mehrerer Regierungen. Beides zusammen bewirkt ein regelrechtes Wirtschaftswunder. Der Mangel an Arbeitskräften bremst allerdings Wachstumsraten von drei Prozent und mehr.

Eine kurze Momentaufnahme

Australien ist derzeit - was die Wirtschaft betrifft - in einer beneidenswerten Ausgangslage. Die Staatsverschuldung ist niedrig, die Volkswirtschaft wächst seit 1996 um durchschnittlich 3,8 Prozent im Jahr, die Arbeitslosenquote ist auf 5,5 Prozent gesunken und die Inflationsrate im Vorjahr mit 2,5 Prozent die niedrigste gegenüber den OECD-Ländern. Jüngst veröffentlichte Indikatoren weisen auch weiterhin auf ein gesundes Wirtschaftswachstum von mehr als drei Prozent für 2005 hin.

Die Wirtschaftsstruktur

Australien ist ein rohstoffreiches Industrieland mit einem starken, modernen Agrar- und Bergbausektor. Das BIP wird überwiegend im tertiären Sektor erbracht. Die zuletzt geschätzten realen BIP-Wachstumsraten für 2004 (3,6 Prozent) und 2005 (3,4 Prozent) übertreffen den Schnitt der OECD-Länder (2004: 3,2 Prozent; 2005: 2,5 Prozent). Zum BIP steuert das verarbeitende Gewerbe 10,7 Prozent bei, der Bergbau 4,6 Prozent‚ das Baugewerbe 6,3 Prozent und die Versorgungswirtschaft 2,2 Prozent, sodass der Dienstleistungssektor dominiert.

Auf dem Gebiet der Spitzentechnologie hat man Weltmarktniveau erreicht. Auch im Tourismus als wichtiger Devisenquelle zogen die Gästezahlen nach SARS-Epidemie und lrakkrieg wieder stark an. Dabei gab es schon 2004 mit mehr als fünf Millionen Auslandsgästen einen Anstieg von 8,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Der Auslöser für den Wirtschaftsboom

Hauptgrund für die florierende Wirtschaft ist das Ergebnis einer Politik der einstigen Labour-Regierung, die vor 20 Jahren mit Hilfe der Konservativen die abgeschottete Volkswirtschaft vollständig umgekrempelt hat - mit dem Ziel, das Land vom Rohstofflieferanten auch zum Exporteur von Industriegütern bzw. Hochtechnologien zu machen.

Die Mittel dazu waren Liberalisierung des Marktes sowie Steigerung von Produktivität und internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die seit 1996 amtierende konservative Regierung Howard forcierte in den letzten Jahren zunehmend die Privatisierungspolitik und beschloss Maßnahmen zur Exportförderung. Sie senkte die Zölle, reformierte den öffentlichen Dienst, den Arbeitsmarkt, den Finanzsektor sowie das Steuersystem, indem sie die Mehrwertsteuer einführte und die Einkommensteuer senkte und umstrukturierte.

Rohstoff-Nachfrage stark im Steigen

Den wirtschaftlichen Aufstieg hat Australien aber auch seinem Rohstoffreichtum zu verdanken, und hier vor allem seinem Hauptabnehmer China. Seit das Milliardenreich boomt, gehen die Nachfrage und damit die Preise für Kohle, Eisenerz und Nickel ständig weiter in die Höhe.

Profiteure sind vor allem die in Australien beheimateten Minenfirmen wie BHP Biliton und Rio Tinto. Allein für 2005 rechnen Experten mit einem Preisplus bei Eisenerz von bis zu 20 Prozent. Und die Rohstoffexporte Australiens sollen erneut um mehr als zehn Prozent zulegen.

Landwirtschaft und Umweltschutz

Trotz des geringen BIP-Anteils auf dem Landwirtschaftssektor bleibt Australien ein wichtiger Erzeuger und Exporteur von Agrarerzeugnissen. So ist das Land beispielsweise der viertgrößte Wein-Exporteur der Welt. Die früher stark reglementierte Vermarktung der Produkte wurde inzwischen im Inneren weitgehend dereguliert.

Auch der Umweltschutz ist eines der zentralen Aktionsfelder der Politik Australiens. Die NGS, die National Greenhouse Strategy, hat das Ziel, die Emission von Treibhausgasen zu verringern. Das Kyoto-Protokoll hält Australiens Regierung für unwirksam. Durch die globale Erwärmung sind Korallenriffe wie das Great Barrier Reet in ihrer derzeitigen Form bedroht. Seit 2001 läuft daher ein siebenjähriger Aktionsplan gegen die zunehmende Versalzung der Böden und des Grundwassers. Eine National Water Initiative soll die Effizienz des Wasserverbrauchs bzw. der -verteilung steigern und Maßnahmen zur Sicherung der gefährdeten Ressource entwickeln.

Fachkräfte in aller Welt gesucht

Die Arbeitslosigkeit war in den letzten Wirtschaftsjahren meist rückläufig; sie erreichte mit 5,5 Prozent im Mai 2004 den tiefsten Stand seit 23 Jahren. Wegen des ungebremsten wirtschaftlichen Aufschwungs reicht inzwischen die Geburtenrate des Landes nicht aus, um ausreichend für Nachschub an Arbeitskräften zu sorgen. Vor allem Fachkräfte werden händeringend in aller Welt gesucht.

Erst kürzlich gab die Regierung in Canberra den Startschuss für die größte Werbeaktion für Jobs in Australien seit einem halben Jahrhundert. Sie soll auch in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten Station machen. Daneben wird in Indien, den USA und Asien nach Friseuren, Krankenpflegern oder Klempnern gesucht. Ziel ist, insgesamt 20.000 Menschen für eine neue Stelle "Down Under" zu gewinnen.

Mehr zum Thema Wirtschaft in Ö1 Inforadio

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Links
Australian Government
Deutsches Auswärtiges Amt - Australien
City of Sydney
OECD
Melbourne Institute - Wifo-Institut
Rio Tinto - Bergbaukonzern
Henning Harders - Logistikkonzern
down-under.org - dt. Australien-Site