Transparency International

Ist die Korruption eine Naturkatastrophe?

"Korruption ist keine Naturkatastrophe: Sie ist kalter und kalkulierter Diebstahl von Lebenschancen von Männern, Frauen und Kindern", so Transparency-Geschäftsführer David Nussbaum. Kürzlich hat diese internationale NGO ihren Korruptions-Index 2005 vorgelegt.

"Von den 159 Staaten, die Transparency Internationals (TI) Corruption Perceptions Index (Korruptionsindex) 2005 erfasst, erreichen mehr als zwei Drittel weniger als fünf von möglichen zehn Punkten. Das deutet auf ein ernsthaftes Korruptionsproblem in der Mehrheit der untersuchten Länder hin."

Mit diesen kargen Worten veröffentlichte heuer die 1993 gegründete Transparency International, die weltweit führende Nichtregierungsorganisation, die sich der Bekämpfung der Korruption widmet, ihren diesjähriger Korruptionsindex.

Corruption Perceptions Index

"Korruption ist in 70 Ländern noch weit verbreitet" steht auf der Einführungsseite des TI weiter. "Viele Länder stehen vor schwerwiegenden Hindernissen, der Armutsfalle zu entkommen."

Um den Grad der Korruption klar auszudrücken, behilft sich der TI mit dem Corruption Perceptions Index (CPI) und bezieht sich auf das von erfahrenen Geschäftsleuten und Länderanalysten wahrgenommene Ausmaß der Korruption. Die CPI-Skala reicht von Zehn (frei von Korruption) und 0 (extrem von Korruption befallen)."

Unterschiedliche Reaktionen

Und wenn sich die reichen europäischen Staaten, wie etwa Deutschland, darüber den Kopf zerbrechen, dass "Deutschland von Platz 15 hinter Hongkong auf Platz 16 abrutschte" und dass es "auf der Punkteskala wie im Vorjahr auf 8,2 Punkte kam, Spitzenreiter Island auf 9,7." (Süddeutsche Zeitung), erregen sich die weit hinten liegenden süd-osteuropäischen Staaten eigentlich nicht sehr.

Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen in dieser Region schon seit langer Zeit unter den korrupten Systemen leiden, dass sie Korruption bereits als einen Teil ihres Lebens hinnehmen und sich angepasst haben. Die Menschen und die Medien in den jeweiligen Ländern stört es am meisten, dass sie sich dieser Bewertung nach in einem Umfeld befinden, wo sie nach eigener Einschätzung nichts zu suchen haben.

Hürde für Investitionen

Das sieht konkret, um nur einige zu nennen, so aus: Serbien und Monte Negro teilen sich mit 2,8 CPI den 97. Rang mit Algerien, Argentinien, Madagaskar, Malawi und Mosambik. Es schmerzt noch mehr, dass von den Nachbarländern nur Mazedonien (2,7 CPI) und Albanien (2,4 CPI) hinter Serbien liegen. Es scheint, dass diese niedrige Bewertung und ihre unangenehmen Auswirkungen den eigenen Bürgern dieser Staaten nicht so große Sorgen macht, wie sich das auf die internationalen Beziehungen auswirken könnte.

"Die Verbreitung der Korruption ist die größte Hürde für die ausländischen Investitionen in unserem Land ... ", urteilte Vladimir Goati, der Präsident der TI für Serbien, " ... die potenziellen Investoren haben ihre Risikoexperten, von denen sie den Rat bekommen, ob man in einem bestimmten Staat investieren sollte."

Starke Reaktion aus Bosnien-Herzegowina

Sehr starke Reaktion kommt - mit 2,8 CPI auf der 88. Stelle etwas besser gelegen - aus Bosnien-Herzegowina. Nach der Bekantgabe des heurigen Korruptionsindexes berichtete die Bosnisch-herzegowinische Föderale Radiotelevision (RTVFBiGH):

"In unserem Staat herrscht die Mafia und die Korruption nimmt von Jahr zu Jahr zu. Emir Djikic, der Direktor der TI für Bosnien-Herzegowina sagte, dass die Verantwortung für diesen traurigen Zustand nicht nur bei unserem Regierungs-Vertreter liegt, sondern auch bei den Institutionen der internationalen Gemeinschaft, die wesentlichen Einfluss auf die Geschehnisse in Bosnien-Herzegowina haben."

Schock in Kroatien

Man kann sagen, dass die Ergebnisse der TI nur in Kroatien einen kleinen Schock verursacht haben. Nach lange erwartetem Beginn der Beitrittsgespräche mit der EU, haben sich die Kroaten eine bessere Rangierung erhofft. Sich den 70. Platz mit 3,4 CPI mit Burkina Faso, Ägypten, Lesotho, Polen und Saudi Arabien zu teilen, ist nach Ansicht der Kroaten nicht gerechtfertigt.

Der kroatische Premier Ivo Sanader hat die diesbezügliche Situation besser dargestellt, als dies von Transparency International getan wird. Sanader sagte, man habe in Kroatien in den letzten Jahren sehr viel getan, um die Korruption erfolgreich zu bekämpfen.

Verantwortung auf beiden Seiten

Man darf nicht vergessen, dass die entwickelten Staaten mit geringerem Korruptionsindex und die internationalen Organisationen einen Teil an Verantwortung für die triste Lage in den von Korruption betroffenen Ländern haben. Am 19. Oktober, einen Tag nach Veröffentlichung des diesjährigen TI-Berichts, hat die Wiener Tageszeitung "Der Standard" einen Artikel über "Korruption und Missbrauch durch UNO-Personal" veröffentlicht:

"Die interne Überwachungsbehörde der Vereinten Nationen (OIOS) hat sich über die zunehmenden Klagen über gravierendes Fehlverhalten von UNO-Personal besorgt gezeigt. Immer häufiger komme es vor, dass sich Mitglieder der weltweiten UNO-Friedensmissionen des sexuellen Missbrauchs oder der Korruption schuldig machten oder gemeinsam mit Einheimischen im großen Stil Treibstoff aus den UNO-Depots entwendeten, berichtete die OIOS am Dienstag in New York." Nach Ansicht der TI " ... müssten reiche Länder dafür sorgen, dass ihre Unternehmen sich nicht an Korruption in anderen Staaten beteiligten. Wer dies dennoch tue, müsse strafrechtlich verfolgt und von öffentlichen Angeboten ausgeschlossen werden."

Eine bedeutende Aufgabe

Transparency International erfüllt mit seiner Arbeit eine sehr wichtige Aufgabe. Denn diese Initiative ermöglicht, Korruption sichtbar zu machen. Und damit ist der TI ein hervorragendes Instrumentarium zur Korruptionsbekämpfung - zumindest um ihre Auswirkungen zu mildern, wenn man sie schon nicht ganz beseitigen kann.

Übrigens: Österreich liegt in diesem Jahr auf dem ausgezeichneten zehnten Platz, also drei Ränge besser als im Jahr davor.