Über 1.000 ehrenamtliche Autoren schreiben Europa

Die Europa-Zeitung

Café Babel möchte nicht intellektuell über Europa diskutieren. Es soll eine Stimmung sein wie in einem Café, nur, dass die Menschen verschiedene Sprachen sprechen. Übersetzer müssen her, damit man nicht babylonisch verwirrt bleibt.

"Liebe Babel-Netzwerkler, hier kommen die vielen Texte für die nächste Woche, die alle einen Übersetzer suchen: englische, französische, spanische und ein italienischer Text, den ich letzte Woche nicht losgeworden bin. Ich hoffe, diese Woche findet sich jemand dafür..."

Europäischer Bürgerjournalismus

Katharina Kloss, 27-jährige deutsche Redakteurin des europäischen Internetmagazins "Café Babel", wendet sich zirka alle zwei Wochen vom Pariser Hauptquartier per Rundmail an ihr Netzwerk deutscher Autoren. Es geht um Texte, Veranstaltungen und, vor allem, Übersetzungen. Denn jeder der täglich neu erscheinenden Texte rund um europäische Politik, Gesellschaft und Kultur muss in mittlerweile sieben Sprachen übersetzt werden.

Keine leichte Aufgabe, denn mit Ausnahme der siebenköpfigen Redaktion in Paris, von der jeweils eine Person für eine Sprachversion zuständig ist, arbeiten alle Autoren und Übersetzer ehrenamtlich. Viele dieser jungen, engagierten Europäer organisieren sich in lokalen Redaktionen in ihren Heimatstädten von Amsterdam bis Vilnius für "die erste Zeitung Europas". Rund 1.000 ehrenamtliche Mitarbeiter in 20 Städten und zwölf Ländern bringen neue Themen ein, übersetzen und veranstalten regionale Diskussionen.

Zentrale Paris

Im Pariser "Maison de l'Europe", dem Quartier der zentralen Redaktion von Café Babel, plant man die Texte meist einen Monat voraus. Hier entscheidet man über die Themen und feilt mit den Autoren an ihren Texten. Das nimmt viel Arbeit in Anspruch, weil bei Café Babel jeder schreiben kann und nur wenige versiert darin sind. Dem Prinzip des europäischen Bürgerjournalismus soll jenes der Qualität trotzdem nicht widersprechen.

Der Gründer Adriano Farano, heute Geschäftsführer von Café Babel, hatte 2001 als Erasmus-Student in Strasbourg die Idee, einen virtuellen Raum für europäische Öffentlichkeit zu schaffen. Am 1. Februar wird Café Babel sieben Jahre alt und hat zwei Millionen Zugriffe pro Monat, was 400.000 Single Users entspricht. Täglich gibt es zwei neue Artikel, wöchentlich ein neues Dossier. Forums- und Blogbeiträge werden nach Möglichkeit ebenfalls übersetzt.

Die sprachliche Schlagseite liegt eindeutig auf Westeuropa. Englisch und Französisch sind gleich beliebt, gefolgt von Italienisch, Deutsch, Polnisch, Spanisch und Katalanisch, der "Repräsentantin für europäische Minderheitensprachen", so Kloss.

Städtereportagen am beliebtesten

Die Gründungsidee hat sich bis heute gehalten: "Studenten die Chance geben, über ihr Land zu schreiben und in der eigenen Sprache international mitdiskutieren", meint Kloss.

Warum Religion eines der schlimmsten Mittel politischer Propaganda ist erklärt Michal Zygmunt, Autor und Redakteur eines polnischen Schwulenmagazins im monatlichen Dossier "Brunch mit…".

In der Rubrik "Gesellschaft" erfährt man etwas über "die Seifenblase Öko-Trend" und bei "Kultur" geht es diesmal um europäische Richtlinien gegen Musikpiraterie im Internet.

Beliebteste Sparte sind aber die relativ unpolitischen "Städtereportagen": Orts- und landesfremde Personen erzählen hier von ihren städtischen Eindrücken.

Junge Autoren, junge Leser

Jung sind bei Café Babel Schreiber wie Leser: Im Schnitt unter dreißig, wendet man sich an Leute, die europäisch debattieren wollen, aber nicht gezwungen intellektuell, sondern eben auf einer "Kaffee-Ebene", so Kloss.

Mit dem Konzept "Europe on the Ground" wird das auch ‘face to face’ umgesetzt. Fünf internationale Journalisten werden auf Stadterkundung geschickt.

Welche Entwicklungen sich abzeichnen und welchen Einfluss die EU hier hat, und wie der Vergleich zu Entwicklungen anderer europäischer Städte ist, wird am Ende in einer öffentlichen Diskussion erörtert, wo fremde Perspektiven gefragt sind. So geschehen im Dezember in Paris, wo das Problem der städtischen Vororte diskutiert wurde.

Mit der Chance auf bezahltes Reisen will man auch einen Anreiz für die Journalisten schaffen, denn: Die Autoren langfristig bei der Stange zu halten ist ohne Bezahlung nicht leicht.

Unbezahlte Schreibkräfte

Finanziell unterstützt wird das Projekt durch europäische, nationale und private Gelder. Für mehr als die Zentralredaktion und einzelne Projekte reicht das Geld aber nicht - wer schreibt und übersetzt, wird das auch in Zukunft gratis tun müssen.

So mancher Laie schafft es durch Café Babel bis in die europäischen Tageszeitungen und Magazine: Der deutsche "Cicero" veröffentlicht wöchentlich Artikel in seinem Online-Europa-Dossier, auf der Webseite des französischen "Courrier International" findet man sie im Bereich "Press Europe".

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