Wie eine Sternschnuppe ein Leben verändert
Das zufällige Leben des Homer Idlewilde
In seinem neuen Roman kreiert Yann Apperry eine eigene Welt rund um die komischen, bizarren und tragischen Geschichten der Menschen aus dem verschlafenen Dorf Farrago - durchgängig, intelligent und mitreißend und immer glaubwürdig.
8. April 2017, 21:58
In seinem neuen Roman hat der französisch-amerikanische Autor Yann Apperry eine eigene Welt erschaffen, ein verschlafenes Dorf irgendwo in Kalifornien namens "Farrago" - hergeleitet aus "far away and long ago". In diesem kleinen Nest lebt Homer Idlewilde, der Erzähler des Romans, ein Träumer und Vagabund, gleichzeitig Dorftrottel und Philosoph, naiv und gewitzt, so etwas wie ein Urenkel von Dostojewskis "Idiot" und ein Verwandter von Mark Twains "Huckleberry Finn".
Ein Leben des Müßiggangs
Eigentlich lebt Homer Idlewilde ein unspektakuläres Leben des Müßiggangs. Er durchstreift die umliegenden Wälder, besucht den schweigsamen Elijah, dessen größter Traum eine eigene Schmiede ist, den nachdenklichen Lebensmittelhändler Fausto, oder Duke, den Erleuchteten von der Mülldeponie; er streitet mit Reverend Poach und sucht das Weite, wenn er den Sheriff sieht. Und er schaut immer mal wieder im Bordell von Farrago vorbei, denn dort wartet die temperamentvolle Hure Ophelia auf ihn, vielleicht seine große Liebe, wäre da nicht sein Freiheitsdrang, der es ihm verbietet, sich auf eine feste Bindung einzulassen.
Außerdem denkt er nach - über die traurige Geschichte, die Fausto ihm eines Nachts erzählt hat, über seine eigenen Gefühle und ihre Auswirkungen, über die Frage der Existenz oder auch über die Dankbarkeit.
Natürlich ist diese Dankbarkeit nicht sichtbar, ich sehe sie nicht wie Duke sein Licht sieht, und trotzdem ist sie präsent, in ein paar Erinnerungen, und wenn diese Erinnerungen mir einfallen, fühle ich mich plötzlich von Dankbarkeit erfüllt. Meine Dankbarkeit ist wie ein ganz junger Welpe, dachte ich, sie wird von allem angezogen, was sich bewegt, sie rennt auf alles zu, auf wen oder was auch immer, sie wird von allem gefesselt und weiß allmählich nicht mehr, wohin zuerst.
Wenn Wünsche wahr werden
Homers ereignisloses Dasein hat ein Ende, als eine Sternschnuppe fällt und er sich wünscht, eine Geschichte zu erleben, die aus seinem Leben ein Schicksal macht. Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse: Homer verhindert ein Umweltverbrechen und wird unvermutet als Held gefeiert, er macht einen polizeilich gesuchten Killer dingfest und lernt, dass Freiheit nicht gleich Freiheit ist und dass das Leben an der Seite eines geliebten Menschen wertvoller sein kann als alle vorgebliche Unabhängigkeit.
Ein schlüssiges Ganzes
All dies umgibt Yann Apperry mit den komischen, bizarren und tragischen Geschichten der Menschen aus Farrago - Geschichten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben und die letztlich doch zu einem schlüssigen Ganzen führen. Der Roman präsentiert sich durchgängig, intelligent und mitreißend, mal komisch, mal tragisch, aber immer glaubwürdig.
Mit Homer betritt ein bekannter und dennoch neuartiger Charakter die literarische Bühne, ein Charakter, der am Ende seines Weges erkennt, dass "der kürzeste Weg zwischen einem Punkt und einem anderen Punkt die Liebe ist". Und so ist Yann Apperrys Werk nicht nur Schelmenroman oder Abenteuergeschichte, sondern auch und vor allem ein Buch über die Liebe, ein Buch, das den Leser gefangen nimmt und ihn ein bisschen nachdenklicher und vielleicht auch ein bisschen weiser zurücklässt.
Buch-Tipp
Yann Apperry, "Das zufällige Leben des Homer Idlewilde, Aufbau Verlag, ISBN 3351030509