Computersimulationen

Von der Herde zur Horde

Überall, wo größere Menschenansammlungen auftreten, kann ein Unglück schnell zu Panik führen. Stadien oder U-Bahnstationen müssen deshalb so geplant werden, dass eine Evakuierung im Notfall möglichst rasch und gefahrlos erfolgen kann.

Bei der 3. Internationalen Konferenz "On Pedestrian and Evacuation Dynamics", die von 28. bis 30. September in Wien stattgefunden hat, haben sich Wissenschaftler darüber ausgetauscht, wie man die Dynamik von Fußgängern und Evakuierungen im Computer simulieren und damit die Planung großer Gebäude verbessern kann.

Sicherheitsplanung von Gebäuden

Im Jahr 2008 wird in Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg und Wien die Fußball-Europameisterschaft ausgetragen. Rund 50.000 Besucher werden pro Spiel erwartet. Nach dem Ende eines Spiels müssen alle Besucher das Stadion rasch und problemlos verlassen und zur U-Bahn, zur Straßenbahn oder den Parkplätzen gelangen können. Im Falle eines Brandes oder einer anderen Gefahrensituation muss ein Stadion in nur acht Minuten geräumt werden können.

Umso größer und komplexer Stadien, Bahnhöfe, Veranstaltungshallen oder Bürogebäude geplant werden, umso wichtiger wird es, diese Abläufe zu testen. Möglich ist das mit Computersimulationen von Modellen, erklärt die Architektin Nathalie Waldau, die sich auf die Sicherheitsplanung von Gebäuden und die Berechnung von Personenbewegungen und Evakuierungsprozessen spezialisiert hat.

Wenn Massen in Panik geraten

Die Schwierigkeit dabei ist, wie man das Verhalten von Individuen in der Masse definieren kann, um es in die Simulation einbeziehen zu können. Gehgeschwindigkeit ist dabei nur eine Komponente. Die Computermodelle wurden zum Beispiel aufgrund von Versuchen mit Menschengruppen entwickelt, die in einem Raum durch eine abgetrennte Engstelle gehen mussten. Die Personen wurden von der Decke des Raumes gefilmt, die Aufnahme wurde analysiert und das Verhalten der Versuchsteilnehmer in Modelle übertragen.

Andere Forschergruppen beobachten das Verhalten von Ameisen auf ihren Straßen oder von Tieren in einer Herde. Caesar Saloma, Physiker an der Universität der Philippinen, entwickelt so genannte agenten-basierte Modelle für Evakuierungen anhand von Versuchen mit Mäusen, denn es ist sehr schwierig, kontrollierte Experimente mit Menschen zu machen.

Denn Menschen, die wissen das sie sich nur an einer Übung beteiligen, verhalten sich anders als in einer echten Gefahrensituation. Deshalb müssen Wissenschaftler Tiermodelle benutzen, die ihnen Erkenntnisse darüber liefern, was in einer Gefahrensituation passiert.

Von Mäusen und Menschen

Die Versuchsanordnung besteht aus einem Behälter mit Wasser, der knapp über dem Wasserspiegel einen Ausgang hat. Werden die Mäuse ins Wasser gesetzt, schwimmen sie sofort zum Ausgang und versuchen, so schnell wie möglich hinauszukommen. Dabei drängen sich zuerst alle Mäuse in einer Traube vor dem Loch, nach einer Weile beginnen sie jedoch, nach dem Reißverschlusssystem hinauszuschlüpfen - also abwechselnd eine Maus von links und eine von rechts.

Obwohl es in der Versuchsanordnungen zwei Ausgänge vorhanden waren, flüchtete der Großteil der Mäuse durch den selben Ausgang. Der andere wurde kaum benützt, obwohl die Flucht der Gruppe damit schneller möglich gewesen wäre.

Ob die Ergebnisse dieser Versuche in die Simulationsprogramme für Evakuierungen von Menschen übertragbar sind, muss aber noch überprüft werden. Klar ist, dass auch Menschen sich nicht immer logisch verhalten, wenn sie aus einem Gebäude flüchten müssen. Die Evakuierungsforscher möchten deshalb erreichen, dass die Vorschriften für öffentliche Gebäude darauf abgestimmt werden.

Download-Tipp
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Link
3. internationale Konferenz "On Pedestrian and Evacuation Dynamics"