Star-Tenor Luciano Pavarotti wird 70
"Ich gehe nach Hause und weine"
Einst lag ihm die Opernwelt zu Füßen: Star-Tenor Luciano Pavarotti, der am 12. Oktober 70 wird. Doch in den letzten Jahren ist ein trauriges Finale seiner Karriere zu erleben. Und seine "Farewell-Tour" nimmt kein Ende. In Wien trat Pavarotti 1996 letztmals auf.
8. April 2017, 21:58
Opernfans lieben das "finale furioso", doch was sie mit Luciano Pavarotti erleben, ist eher ein trauriger Abgesang. Längst sind die guten Zeiten vorbei, das hohe C trifft er seit Jahren nicht mehr, aber immer weiter schleppt sich der Star-Tenor von Konzert zu Konzert. Wie ein Gefangener seiner Drei-Zentner-Körperlast wirkt er auf der Bühne. Warum tut er sich das an?
Seine Stimme war einst göttlich, die Opernwelt lag ihm zu Füßen, 1988 bekam er in Berlin 115 Vorhänge. Am 12. Oktober wird Luciano Pavarotti 70 Jahre alt - und seine "Farewell-Tour" nimmt kein Ende. Die Fans fragen sich: Wann kommt der Schlussakkord?
Probleme an der "Met"
"Die Leute bezahlen, weil sie mich hören wollen. Erst wenn sie wegbleiben, ist für mich Schluss", meinte "Big Luciano" vor ein paar Jahren, kurz nach der Peinlichkeit an der Metropolitan Opera in New York. Da sagte er zwei Mal kurz hintereinander seinen Auftritt ab, und das eine Stunde vor der angesetzten "Tosca"-Aufführung.
"Der Dicke singt nicht", titelte eine Zeitung. Das traf ihn schwer, schließlich hatte er an der "Met" seine goldenen Zeiten erlebt - vor fast 40 Jahren. Damals, als der Bäckersohn aus dem norditalienischen Modena noch beinahe schlank war.
Kritik an "Pavarotti AG"
Doch das Besondere, das Herausragende an dem "Tenorissimo", waren nicht die Auftritte auf der Opernbühne - es war sein Tabubruch, den ihm Opern-Puristen bis heute nicht verzeihen. "Pavarotti AG" nennen Kritiker seine Melange von Oper, Pop und Geschäft.
Sie meinen damit seine Auftritte mit den Spice Girls und Tom Jones, seine Konzerte in Fußballstadien, den Hang zum Seichten. "Ich kenne Popsongs, die besser sind als fast jede Opernarie", reizt der Maestro seine Kritiker.
Unternehmen "Drei Tenöre"
Weltberühmt wurde das Unternehmen "Die drei Tenöre" mit Placido Domingo und José Carreras. Ganz neue Dimensionen taten sich auf, auch finanziell. 1990 nutzte das Trio die Fußball-Weltmeisterschaft zum weltweit ausgestrahlten Auftritt. Der Live-Mitschnitt wurde mit mehr als zehn Millionen verkauften Platten und CDs zum "größten Klassiker- Bestseller der Schallplattengeschichte", wie Branchenkenner jubelten. Pavarottis Arie aus Puccinis "Turandot" wurde zur Hymne der Weltmeisterschaft.
Logisch, dass sich Fundamentalisten der Opernszene von solchen musikalischen Niederungen abwendeten. Pavarotti hat das nie gestört. Mit der Oper, provoziert er, sei es wie beim Fußball. "Schließlich dürfen alle Menschen Fußball sehen, auch wenn sie nichts davon verstehen."
Durchbruch 1964 in Covent Garden
Dabei hatte der junge Mann zunächst Pädagogik studiert, versuchte sich als Volksschullehrer. Mitte der 1950er Jahre nahm er Gesangsstunden, dann ging alles rasend schnell: Erste Opern-Engagements 1961, als Rudolf in "La Bohème".
1962 ein glanzvoller Auftritt in Amsterdam, 1964 sprang er an der Covent Garden Opera in London für den erkrankten Giuseppe di Stefano ein. "Ich war mir immer bewusst, dass die Stimme ein göttliches Geschenk ist. 1966 folgte das Debüt an der "Scala", zwei Jahre später an der New Yorker "Met". In seinen großen Zeiten schaffte er es, auf einer Partiturzeile gleich neun Mal auf ein hohes C zu kommen. Und immer wieder war es sein Auftritt in "La Bohème", der die Fans dahinschmelzen ließ.
Staatsopern-Debüt 1963
"Big P.", wie Pavarotti vor allem in den USA genannt wird, debütierte als erster der "Drei Tenöre" in Wien: Am 24. Februar 1963 trat er als Rudolf in "La Boheme" erstmals im Haus am Ring auf.
Einschließlich Giordanos "Andrea Chenier", Pavarottis letzter Wiener Partie, hat der Star-Tenor insgesamt neun Rollen an der Staatsoper gesungen. Darunter in "Aida", "Liebestrank", "Tosca", "Maskenball" sowie "La Traviata".
Letzter Wien-Auftritt mit "Chenier"
Zuletzt trat Luciano Pavarotti im November 1996 in einer musikalischen Neueinstudierung von Umberto Giordanos "Andrea Chenier" an der Wiener Staatsoper auf, die von Marco Armiliato geleitet wurde.
Damals sorgte Pavarotti für Unmut, als er eine der Vorstellungen aus Krankheitsgründen kurzfristig absagte. Die Aufführung wurde dann knapp eine Woche später eingeschoben.
Zuletzt Schlagzeilen aus Privatbereich
In den vergangenen Jahren waren es dann eher Schlagzeilen aus dem Privatbereich Pavarottis, die um die Welt gingen:
Der quälende Streit um Steuermillionen, seine Scheidung nach Jahrzehnten der Ehe, seine Affäre mit der mehr als 30 Jahre jüngeren Ex-Sekretärin Nicoletta Mantovani. 2003 kam bei der Geburt von Zwillingen ein Kind ums Leben, Ende des Jahres folgte schließlich die Hochzeit.
Schmerzlicher Abschied
Und jetzt? Schlecht, sehr schlecht sei es ihm zeitweise gegangen, er musste sich am Halswirbel operieren lassen, war zeitweise fast gelähmt. Jetzt stehen wieder Konzerte an - zwei Tage nach seinem Geburtstag in Stuttgart, dann in Australien und in Neuseeland.
Sein größter Wunsch sei es, noch einmal zu einem Abschiedskonzert in der "Scala" aufzutreten. Doch schon vor ein paar Jahren, beim 40. Bühnenjubiläum in Modena, konnte er vor dem Publikum nicht verhehlen, wie schwer ihm der Abschied fällt: "Jetzt gehe ich nach Hause und weine." Das klingt nicht nach einem "finale furioso".