Die Verantwortung der Helfer

Gebt uns keine Fische, sondern eine Angel!

Angesichts der Katastrophen der letzten Jahre - Tsunami, New Orleans, Afrika -, die ein so hohes Spendenaufkommen wie nie zur Folge hatten, stellt sich die Frage, ob und wie diese Hilfsgelder richtig verwendet werden. Helfen ja, aber richtig!

Die Tsunami-Katastrophe in Südostasien vom Dezember 2004 hat über 220.000 Menschenleben gefordert. 1,8 Millionen Menschen wurden über Nacht obdachlos. In den Wochen nach der Flutkatastrophe lief eine bislang beispiellose Hilfswelle aus den Industriestaaten an. Die vorwiegend privaten und auf Spenden angewiesenen Hilfsorganisationen nisteten sich vor Ort ein, kamen mit ganz unterschiedlichen Konzepten und wollten meist schnell ihren Spendern herzeigbare und für die Medien vermarktbare Ergebnisse liefern.

Die Zahl von 1200 Hilfsorganisationen (Nichtregierungs-Organisationen/NGOs) allein in Sri Lanka zeigt, dass Hilfe heute zu einem effizienten Business geworden ist, das mitunter auch fragwürdige Ergebnisse liefert, die manchmal sogar kontraproduktiv sind.

Einspringende und vorausspringende Hilfe

Helfen ist im Grunde ein sehr komplexes zwischenmenschliches Beziehungsgeschehen. Der Philosoph Martin Heidegger unterscheidet zwei Weisen der Fürsorge: die einspringende und die vorausspringende. Bildlich gesprochen, können wir einen anderen Menschen über einen Fluss tragen, weil er selbst es nicht kann. Wir springen für ihn helfend ein. Oder aber: Wir springen von Stein zu Stein voraus, nehmen Rücksicht und weisen dem anderen so einen Weg, den er nicht sah oder sich nicht zutraute, den er aber nun selber zu gehen im Stande ist - wir springen helfend voraus. Beide Haltungen haben in Situationen, wo Hilfe gefordert ist, ihre Berechtigung.

Srilankische Fischer, die durch den Tsunami ihr Boot verloren haben und nicht mehr für den Lebensunterhalt ihrer Familie sorgen können, werden nicht sehr glücklich sein, wenn man ihnen in hehrer Absicht Fische fängt oder gar auf die wahnwitzige Idee verfällt, ihnen tiefgekühlten Nordsee-Dorsch als Hilfslieferung unterzujubeln.

Wiederherstellung von Autonomie

Beim verantwortungsvollen Helfen geht es um einen Befreiungsprozess, bei dem die Autonomie und Kompetenz des Hilfsbedürftigen wieder hergestellt werden soll. Das ist im Kern die Hilfe zur Selbsthilfe. Beide Haltungen, die einspringende und die vorausspringende Hilfe, unterliegen auch spezifischen Gefahren, deren sich helfende Einzelpersonen wie auch Organisationen bewusst werden sollten, wenn sie wollen, dass ihre Hilfe hilfreich wird.

Die Gefahren liegen beispielsweise im Entmündigen der Betroffenen, im Machtmissbrauch, in der Abhängigkeit sowohl der Helfer als auch der Hilfsbedürftigen und im überheblichen Besser-Wissen, was für sie eigentlich gut wäre.

Die richtigen Fragen stellen

"Die entscheidende Grundhaltung beim Helfen ist die Demut. Das gilt im zwischenmenschlichen Bereich genauso wie auf dem Feld der Entwicklungszusammenarbeit." Mit diesen Worten überrascht die 27-jährige Politologin Pippa Breuss, die als Entwicklungshelferin bereits in Albanien, in Uganda und in Pakistan tätig war.

Aufgabe der Helfenden ist es zunächst, die richtigen Fragen zu stellen: Was ist zu tun? Für wen ist es zu tun? Was können wir tun? Wer kann das tun? Wie können wir das tun? Wann und wie lange ist es zu tun? Welche menschlichen und materiellen Ressourcen stehen uns dafür zur Verfügung?

Auf gleicher Augenhöhe

Solche Fragen haben sich die beiden Filmemacher Elisabeth Guggenberger und Helmut Voitl gestellt. Drei Tage zuvor, am 26. Dezember 2004 waren sie durch den Ruf ihrer srilankischen Vermieterin geweckt worden: "Ocean is coming!" Während die gigantische Welle hereinbricht, sind Voitl und Guggenberger im oberen Stockwerk ihres Hotels in Sicherheit. Als sich die Meeresfluten zurückziehen, wird das ganze Ausmaß dieser Naturkatastrophe sichtbar. Ganze Dörfer sind dem Erdboden gleichgemacht. Tausende Menschen hat der Tsunami mit ins Meer gespült - für immer.

Elisabeth Guggenberger und Helmut Voitl sind beide tief betroffen von dem, was sie sehen. Sie fühlen, dass sie spontan handeln müssen. Mit dem Geld, das sie noch haben, kaufen sie Verbandsmaterial, Medikamente und Lebensmittellieferungen. Sie gehen in das Dorf Maradana, knüpfen persönliche Kontakte und werden sich nach wenigen Tagen einig darüber: "Wir können hier nicht einfach umdrehen und wegfahren."

Helmut Voitl und Elisabeth Guggenberger gründen in Österreich die private Hilfsorganisation "Give hope" und suchen Kooperationen mit professionellen NGOs, die bei der Durchführung behilflich sind. Es ist ein Hilfsprojekt, das zum Erfolg wird, weil es auf gleicher Augenhöhe, im Dialog und in der Zusammenarbeit mit den Betroffenen entwickelt wurde.

Diese Hilfe ist nicht im Gewand einer entmündigenden bürokratischen Macht dahergekommen. Sie wurde angenommen, weil sie in Demut geleistet wurde, in Wahrnehmung der tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen vor Ort. Eine Hilfe, die dankbar macht - in erster Linie die Helfer, weil sie dazu beitragen können, dass andere ihre verloren gegangene Autonomie wieder erlangen.