Working poor und alternde Gesellschaft

Die Frage nach dem Wert des Menschen

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser Grundsatz der Aufklärung verkommt zur Phrase. Es wird gedemütigt, gefoltert, gemordet. Bomben zerfetzen Körper auf allen Kontinenten. Die Schreie der Opfer zerstören den Traum von einer friedlichen Welt.

Liessmann zur Neubewertung des Menschen

Konrad Paul Liessmann, und mit ihm zahlreiche Wissenschafter, stellen beim diesjährigen Philosophicum Lech die Frage, wie es um den Wert des Menschen steht, wenn dieser nur mehr als Humankapital, als Kostenfaktor, als zunehmende Belastung für die Sozialbudgets gesehen wird. Und sie fragen, wie es um die Würde des Menschen steht, wenn dieser nur noch als ökonomische Ressource, als potenzieller Organspender oder als Beitragszahler verbucht wird.

Working poor ist in den letzten Jahren auch ein Schlagwort in Europa geworden. Die alternde Gesellschaft stellt neue Herausforderungen für Gesellschaft, Politik und Wissenschaft dar. Wer wird es sich in Zukunft leisten können, in Würde zu altern? Und wer bezahlt den Preis für die High-Tech-Medizin, die Organtransplantationen, die Stammzelltherapien? Therapien deren ethische und moralische Fragestellungen noch nicht beantwortet sind. Beim Philosophicum wurden sie erneut gestellt.

Themen zu den Grenzen des Humanen

Die Themenauswahl des Wiener Philosophen Konrad Paul Liessmann, er ist der wissenschaftliche Leiter dieses mehrtägigen Symposions, ging auf mehreren Ebenen an die Grenzen des Humanen. Das betraf die Frage nach dem Wert des Menschen ebenso, wie die Frage, ob Menschen die besseren Affen seien. Durch die moderne Evolutionsbiologie wird ja die Sonderstellung des Menschen mit dem Hinweis auf die genetische Nähe zu den uns verwandten Tieren bezweifelt.

Die Debatten um verbrauchende Embryonenforschung und Euthanasie markieren nur zwei Pole am Anfang und am Ende des menschlichen Lebens. Dazwischen liegt die Lebenszeit in der der Mensch zunehmend als Humankapital bezeichnet wird.

Seit Jahren ist die Rede vom lebenslangen Lernen, von den Veränderungen die als Chance zu verstehen sind. Hinter den beschönigenden Phrasen steht Arbeitslosigkeit. Die viel zitierte neue Selbständigkeit ist oft die einzige Chance gegen Wertlosigkeit. Wenn sich aber Wert und Würde des Menschen nur noch über den Job definieren, so heißt das im Umkehrschluss, dass Tausende Arbeitslose wert- und würdelos sind.

Wertänderungen aufgrund jüngster Entwicklungen

Konrad Paul Liessmann stellt aber auch die Frage, ob der Wert des Menschen auf Grund der neuesten Forschungserkenntnisse in der Biomedizin, Ökonomie und Technik neu zu definieren sei. Diesem Gedanken folgte die Überlegung, das künftig der Mensch bewertet, also auf- oder abgewertet wird und der Begriff der Menschenwürde, der in den Menschenrechten verankert ist, obsolet wird. Ein nüchterner Blick auf den Boden der Welt zeigt, dass der Wert des Menschen weder absolut und nicht überall gleich ist. Für Konrad Paul Liessmann kann und muss das auch gar nicht der Fall sein. Der Wert und Preis des Menschen schwankt zwischen Nützlichkeit und Begehrtheit für andere Menschen.

Da es aber nun eine Frage der Mächtigen zu werden scheint, welchen Wert Menschen haben, bekommt die Auseinandersetzung um den Wert des Menschen in der alternden Gesellschaft neue Brisanz. Dass Menschen alt werden, ist nicht neu. Aber dass es in Zukunft so viele Alte Menschen geben wird, zwingt zum Umdenken. Denn hier entsteht eine Gesellschaft, die mit der heutigen nichts mehr gemein haben wird.

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Philosophicum Lech