Erzählungen von Monique Schwitter
Wenn's schneit beim Krokodil
In ihrem Debüt-Erzählband "Wenn's schneit beim Krokodil" glänzt Monique Schwitter als einfühlsame Beobachterin. In einer Mischung aus inneren Monologen und kargen Dialogen bringt sie Alltagssituationen leichtfüßig zu Papier.
8. April 2017, 21:58
Ich bin sicher dort. Zoo, 1. Januar, neun Uhr. Wenn's schneit beim Krokodil. Sonst beim Kamel. Und weiter, frage ich. Nichts weiter, sagte meine Mutter. Kommst du an Weihnachten?
Am Telefon erfährt die Erzählerin von der Einladung mit dem Unbekannten im Zoo. Der anonyme Brief zwingt sie zurück in ihre Vergangenheit, da nur Menschen, mit denen sie aufgewachsen ist, diese Adresse kennen. 33 Namen, 33 Jungs aus ihrer Schulzeit kann die Erzählerin ausmachen, die in Frage kommen.
Den Zoo ihrer Herkunftsstadt, den sie nur von einem einzigen Ausflug mit ihrer Schulklasse kennt, besucht sie nun fast täglich. Kurz vor Silvester will sie abreisen, bleibt dann aber doch.
Es ist jetzt 4.30 im neuen Jahr. Ich weiß nicht, ob ich hingehen werde. Ich denke, eher nicht. Vielleicht besser nicht. Aber ich habe noch viel Zeit, mich zu entscheiden.
Dann geht's los!
Zwischen Warten und der Unsicherheit, etwas zu verpassen, oszillieren die Erzählungen der Schweizerin Monique Schwitter, die diese Gefühle aus eigener Erfahrung kennt. In ihrer Schulzeit habe sie immer auf die Matura gewartet, denn danach würde das Leben erst richtig losgehen, erzählt die Autorin. Mittlerweile ist Monique Schwitter als Schauspielerin am Schauspielhaus Hamburg engagiert.
Die Charaktere in dem Erzählband "Wenn's schneit beim Krokodil" sind von ihrer Erfahrung geprägt, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, zu beobachten und zu analysieren. In einer Mischung aus inneren Monologen und kargen Dialogen bringt sie Alltagssituationen leichtfüßig zu Papier. Ihre Figuren deuten Handlungsmöglichkeiten an, weisen aber nie den Weg zu einem sicheren Happy End. Die Erzählerinnen in den 15 Geschichten ringen um die Möglichkeit eines überlegenen Spiels aus Angst vor Einsamkeit und falschen Entscheidungen.
Tanzende Füße
Ob mit Lügen oder Wahrheit, Schwitters Figuren bestehen auf ihrer Bühne des Lebens. Mit zarten Pinselstrichen gezeichnet, werden banale Regungen zum Angelpunkt, wie in der Geschichte "Um Damaskus".
Zwei Pärchen machen gemeinsam einen Picknickausflug. Die Männer suchen eine Abkühlungsmöglichkeit. Die Frauen bleiben und unterhalten sich. Betty schildert der Erzählerin die Geschichte von Sonja und Jan. Den romantischen Ausführungen folgt die Erzählerin nur peripher, denn das einzige was zählt sind Bettys schöne Füße. Sie tanzen und gebärden sich ganz wild in den Sandalen, wenn sie spricht.
Ich starre auf ihre Füße, wie auf exotische Tiere. Ich weiß, dass es höflicher wäre, ihr beim Zuhören in die Augen zu schauen, aber ich kann mich nicht vom Anblick dieser Füße losreißen. Bettys Füße sind mir noch nie aufgefallen. Vielleicht weil Betty selten spricht. Oder weil sie selten Sandalen trägt. Oder aber ihre Füße sind heute so schön, weil das eine Liebesgeschichte ist.
Gelungener Balance-Akt
Mit simplen Wendungen, kurz und bündig und doch in gemächlichem Tempo zeichnet Schwitter Gedankengänge nach - die ihrer Figuren und ihre eigenen. Wenn sie sich zum Schreiben hinsetze, wisse sie nur wenig von den handelnden Personen, außer dass eine davon "ich" genannt würde, so Schwitter. Die Situationen, in die sie ihre Figuren versetzt, verselbstständigen sich dann von allein, erzählt sie.
Zart und behutsam balanciert die Autorin zwischen zerbrechlichen Momenten und abgründigen Erlebnissen. Monique Schwitter glänzt in ihrem Debüt-Erzählband "Wenn's schneit beim Krokodil" als smarte Beobachterin. Mit wenig Pathos, aber viel Gefühl für Details.
Buch-Tipp
Monique Schwitter, "Wenn's schneit beim Krokodil", Literaturverlag Droschl, ISBN 3854206941