Langsame Öffnung nach Außen nach EU-Muster

Vietnams Weg zum Freien Markt

Vietnam geht seinen eigenen Weg zur Marktwirtschaft; nicht so kompromissloss wie in China, sondern man lässt die Zügel nur langsam locker. Das Ziel ist eine soziale Marktwirtschaft nach europäischem Vorbild.

Le Dang Doanh, Präsident des CIEM im Interview

Nach Ende des Vietnamkriegs vor 30 Jahren wurden unter kommunistischer Führung in Hanoi Nord- und Südvietnam zu einem Land vereinigt, das noch viele Jahre unter den Folgen des Krieges zu leiden hatte. Wirtschaftlich ging es zunächst steil bergab; Hunger und Armut gehörten zum Alltag. Vor 15 Jahren begann die Regierung eine vorsichtige Politik der Öffnung. Heute zählt das Land zu den sich am schnellsten entwickelnden Wirtschaften der Region.

Vietnam - gestern und heute

Auf dem ersten Blick ist Ho Chi Minh Stadt - das frühere Saigon - eine typisch asiatische Stadt mit regem Treiben in den zahlreichen Handelsgeschäften, Cafes und Restaurants. Vor zehn Jahren waren es die 80 Millionen Fahrräder, die das Straßenbild geprägt haben. Heute sind die Fahrräder durch ebenso viele Motorräder ersetzt worden, und auch Autos sorgen von Jahr zu Jahr mehr für das Chaos auf den Straßen.

Vom Importeur zum Exporteur

Anfang der 90er Jahre hat die Regierung mit dem Schlagwort "Doi Mol", was so viel bedeutet wie"die Öffnung nach Außen", die Weichen für mehr Markt gesetzt. Mit einem Wirtschaftswachstum von sieben bis acht Prozent ist Vietnam heute der am zweitschnellsten wachsende Markt nach China.

Politik der langsamen Öffnung

Noch gibt es sie die Armut. Ein Fünftel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Langsam breitet sich aber auch ein bescheidener Wohlstand aus. Politische Opposition ist zwar nach wie vor verboten - alles hat sich der einen, der kommunistischen Partei unterzuordnen - für viele Menschen aber hat sich das Leben durch die Reformen verbessert, und die Perspektiven sind vielversprechend.

Mit einer Politik der langsamen Öffnung versucht Vietnam an die Entwicklung im übrigen Asien anzuschließen. Vorbild ist dabei nicht Südchina; da will man vor allem die sozialen Härten, die der rasante Aufschwung nach sich gezogen hat, vermeiden. Man will es eher so wie Singapur handhaben, das heißt: Wohlstand für alle unter einem strengen, alles kontrollierenden Regime.

Pionier der ersten Stunde

In der österreichischen Außenhandelsstatistik nimmt Vietnam erst den 90. Platz ein. Noch ist es eine Hand voll Pioniere, die am wirtschaftlichen Aufbau des Landes mitarbeiten, darunter der Österreicher Alexander Egert. Bereits vor 14 Jahren ist er nach Vietnam gekommen, um ein Strandhotel zu eröffnen. Heute ist er Besitzer des Club Camargue, eines gut gehenden Restaurants mit französischer Küche, eines Cafes und dreier Bars.

Unternehmertum sei in Vietnam noch mit viel Freiheiten verbunden, meint er. Aber Recht und Gesetz würden manchmal noch ziemlich frei ausgelegt. Da könne es schon vorkommen, dass die Polizei willkürlich verlange, ein Lokal um Mitternacht zu schließen, obwohl die Lizenz ein Offenhalten bis zwei Uhr früh erlaube. Trotzdem ist Alexander Egert überzeugt: "Vietnam hat trotz kommunistischer Regierung eine große wirtschaftliche Zukunft".

Weitere österreichische Unternehmer

Positive Erfahrungen hat auch die Steirerin Helga Nagy gemacht. Sie war acht Jahre lang in Vietnam für eine Schweizer Firma in der Wohnungs-Ausstattungsbranche tätig. Seit kurzem ist sie selbstständig. Auch sie schätzt es, dass unternehmerischer Initiative kaum Hindernisse in den Weg gelegt werden. Besonders begeistert ist die Österreicherin von den vietnamesischen Arbeitskräften. Sie seien nicht nur billig, sondern auch willig.

Ähnlich positiv fällt das Urteil von Wolfgang Weinberger aus, der mit 2.000 Mitarbeitern Damenwäsche für ein großes heimisches Textilunternehmen produziert. Für ihn hat Vietnam gegenüber China deutliche Produktionsvorteile, nicht zuletzt, weil die Löhne deutlich niedriger sind als im benachbarten Südchina.

Ein Pionier ganz anderer Art ist Georg Müller. Er vertreibt im Auftrag der lnnsbrucker Firma MED-EL Gehörimplantate für gehörlose Kinder. Das Problem dabei: Die Kinder müssen mit speziellen Programmen das Sprechen neu lernen. Dazu brauche man Lehrer, und bei deren Ausbildung wolle man ansetzen, so Müller.

Gute wirtschaftliche Perspektiven

Der Nachholbedarf betreffs Marktwirtschaft ist in Vietnam allerdings noch immer enorm. Das Eisenbahnsystem gehört modernisiert, Straßen müssen gebaut werden, die medizinische Versorgung muss verbessert werden: Vorhaben, bei denen vor allem österreichische Firmen mit entsprechendem Know-how mitbieten können. Vietnam gilt jedenfalls noch als Geheimtipp, der vor allem mit niedrigen Löhnen punkten kann - Löhne, die noch niedriger als im boomenden Südchina sind. Auch die derzeit von der Regierung in Angriff genommene Aufnahme des Landes in die Welthandelsorganisation WTO, die noch heuer über die Bühne gehen soll, wird für die Wirtschaft zusätzliche Impulse bringen.

Politisch läuft allerdings noch Vieles nach althergebrachten Mustern. Offizielle Besuche auf Ministerebene können aber Iangwierige Verkaufsverhandlungen mitunter beschleunigen. Korruption und überbordende Bürokratie bremsen allerdings derzeit noch eine allzu schnelle Marktöffnung. Verkaufsverhandlungen über Jahre, ein langer finanzieller Atem und eine permanente Präsenz vor Ort sind im heutigen Vietnam noch immer Voraussetzung für erfolgreiche Geschäfte in Vietnam. Die Perspektiven werden aber allgemein als gut eingestuft.

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Links
Wirtschaftskammer Österreich - Vietnam
CIA-Factbook - Publikation über Vietnam
Vietnam-Botschaft BRD
Vietnam Tourism
Vietnam-Freunde-Netz
CIEM - Central Institut for Economic Management