Fokus für religiöse Anspielungen

Die schwangere Madonna

Peter Henischs neuer Roman, in dem ein Radiojournalist in der Krise nach Italien entflieht, hat sich in der langen Reihe literarischer Italien-Bilder und -Reminiszenzen ihren eigenen unverwechselbaren Platz verdienst.

Im neuen Roman von Peter Henisch gerät ein Radiojournalist in eine Krise: Er hat ein Feature über Alzheimer gemacht und kann sich nicht mehr erinnern, wo er das Sendeband hingelegt hat. Da sieht er am Parkplatz ein Auto, an dem der Schlüssel steckt. Einem spontanen Impuls folgend steigt er ein und fährt los, Richtung Italien. Es ist, sagt dazu Peter Henisch, nicht nur die persönliche Krise, der er entfliehen will.

Sehnsuchtsland Italien

Italien, schon seit Goethe das Sehnsuchtsland der deutschsprachigen Literatur, in dem nicht Pflicht und kalte Notwendigkeit, sondern Sinnlichkeit und Genuss gelebt werden, ist nun ein weiteres Mal Motor eines Romans geworden. Josef Urban ist in dieses Italien nicht allein unterwegs, sondern entdeckt im Auto eine Begleiterin, Maria, die eine ganz spezielle Beziehung zum Heiligen Geist hat.

Die Rolle des Josef, sagt Peter Henisch, ist schon in der Bibel keine sehr glückliche. Josef Urban muss sein Begehren immer wieder zurückstellen - Marias Schwangerschaft appelliert an sein Verantwortungsgefühl. Seine erotischen Wünsche und wie er sie immer wieder schmerzlich sublimiert, gerade das hält den Roman auf fesselnde Weise in Gang.

Glauben aus dem Bauch

Ausleben konnte diese Sehnsüchte hingegen Wolf, Marias Religionslehrer und Geliebter. Die tragischkomische Begegnung von Wolf und Josef ist einer der Höhepunkte des Buches.

Maria entkommt ihnen beiden. Für Josef, der sie schmerzlich sucht und vermisst, verschmelzen ihre Züge immer mehr mit der "Madonna del parto", einer sehr außergewöhnlichen Darstellung der schwangeren Madonna von Piero della Francesca, die er in Monterchi sieht. Vor ihrem Bild lässt er sich über Nacht einsperren - und kommt dafür ins Gefängnis, weil man ihn verdächtigt, er hätte ein Attentat auf das Gemälde verüben wollen.

Die Madonna ist in diesem Roman ein Fokus für viele religiöse Anspielungen. Josef hat, wie er einmal sagt, gelegentlich eine Art "Glauben aus dem Bauch", eine unorthodoxe Religiosität, die auch ein Widerstandspotenzial darstellt gegen die allgegenwärtige Dominanz der Wirtschaft.

Jede Menge Anspielungen

Im Roman "Die schwangere Madonna" ist ein feiner Teppich von Anspielungen geknüpft. Wenn Josef und Maria in Venedig unter dem Gemälde der Jäger und Nymphen liegen, lassen "Die verzauberten Jäger" aus Nabokovs "Lolita" grüßen. Eine Friseurszene ist Thomas Manns "Tod in Venedig" nachgestellt. Patricia Highsmith oder Hemingway sind ebenfalls einmontiert.

In Henischs neuem Roman spukt auch die Romantik, und er ist zugleich ein sehr modernes Roadmovie, dessen rasante Handlung auch ohne Kenntnis der Anspielungen funktioniert und fasziniert. Dazu ist Peter Henischs Erzählen detailversessen, ohne sich je in diesen Details zu verlieren: Die Topografie ist ebenso genau recherchiert wie auch die SMS-Sprache von Schülern authentisch ist.

In der langen Reihe literarischer Italien-Bilder und -Reminiszenzen hat "Die schwangere Madonna" ihren eigenen unverwechselbaren Platz - gerade weil sie damit ihr genau kalkuliertes Spiel treibt.

Mehr zur Madonna del parto in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Peter Henisch, "Die schwangere Madonna", Residenz Verlag, ISBN 3701714231

CD-Tipp
Peter Henisch "Vom Baronkarl zum Schwarzen Peter", ORF-CD 2006983, erhältlich im ORF-Shop