Am Rande der Alpbacher Wirtschaftsgespräche

In den Fängen der Globalisierung

Globalisierung ist für große Teile der Wirtschaft längst ein selbstverständliches Umfeld. Für die Frau oder den Mann auf der Straße hingegen ist sie nicht selten ein Feindbild und ein Sündenbock für wirtschaftliche und soziale Probleme geworden.

Bernhard Felderer über Globalisierung

Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer verursachte ein Ungleichgewicht bei vielen Produzenten und ihrer Arbeitnehmer gegenüber der ausländischen Billigkonkurrenz. Durch diese Strategie, die meist Großunternehmer anwenden, sinken die Einkommen der betroffenen Arbeitnehmer entsprechend, mit dem Ergebnis, dass sie weniger konsumieren können.

Diese Art von Wettbewerb stärkt die Mächtigen und schwächt die Schwächeren. Wird also die Welt künftig von Konzernzentralen beherrscht, die nur den Aktionären und deren Gewinnen verpflichtet sind? Die Politik macht da oft einen hilflosen Eindruck.

Eine Expertenrunde bei den Alpbacher Wirtschaftsgesprächen beschäftigte sich daher u. a. auch mit den Auswüchsen von Globalisierung und Wettbewerb auf dem Freien Markt.

Die Auslöser der Globalisierung

Für den Kärntner Nationalökonom und Leiter des Instituts für Höhere Studien, Prof. Bernhard Felderer, ist die Globalisierung ein Phänomen der letzten 20 Jahre und hängt unmittelbar mit dem Siegeszug der modernen Kommunikationsformen wie dem Internet zusammen. Sie haben es möglich gemacht, dass komplizierte Konstruktionsunterlagen für Maschinen und Anlagen ebenso schnell und fehlerlos zu minimalen Kosten rund um den Globus geschickt werden können wie die Milliarden an Investitionsmitteln für die Errichtung eben dieser Anlagen. Die Globalisierung sei daher - so Felderer - keine Erfindung neoliberaler Politiker, sondern die logische Folge einer rasanten technischen Entwicklung.

Die Folgen dieser Entwicklung

Die Nationalstaaten sind nach Ansicht Felderers daher gezwungen, in gegenseitigem Wettbewerb als Wirtschaftsstandort zu treten. Dieser globale Wettbewerb spiele sich vor allem um drei Faktoren ab: um Kapital, Unternehmen und um Arbeit, sagt Felderer:

"Als wirksames Mittel zur Schaffung von Standortvorteilen hat sich die Steuergesetzgebung bewiesen. Aber der stärkste Druck kommt vom Lohngefälle. Das wird sich erst in Jahrzehnten ausgleichen, wie das Beispiel Japan zeigt".

Soweit der wissenschaftliche Standpunkt. Und was sagen die Praktiker?

Standortnachteile in Österreich

Helmut Draxler, Generaldirektor von RHI und damit Chef eines weltweit tätigen österreichischen Unternehmens, fühlt sich zwar mit seiner Standortzentrale in Österreich ganz wohl, wenngleich die Flat Tax in Osteuropa als Standortvorteil nicht unterschätzt werden dürfe. Darüber hinaus findet Draxler hierzulande eine ganze Palette von Standortnachteilen. Zum Beispiel die immer wieder diskutierten hohen Lohnnebenkosten, aber auch eine nicht ausreichend gute Ausbildung der Arbeitnehmer:

"In den neuen EU-Ländern sind selbst Facharbeiter zweisprachig, das ist wichtig für Unternehmen, die international tätig sind". Weitere Standortnachteile aus der Sicht des Praktikers: die teuren Umweltstandards und die hohen Energiekosten, vor allem für energieintensive Unternehmen.

Staatliche Voraussetzungen begrenzt?

Wo liegen nun die Grenzen der Möglichkeiten für die Nationalstaaten? Kann der Einzelstaat die Wettbewerbsvoraussetzungen, denen die Unternehmen unterliegen, noch souverän mitbestimmen oder spielt sich letztlich Vieles ohnehin bereits auf übergeordneten Ebenen ab, etwa auf jener der EU oder der Welthandelsorganisation WTO?

"Es gibt kein Staatensystem, das für sich geschlossen existieren kann", stellt der Verwaltungsrechtler Prof. Theodor Öhlinger von der Universität Wien fest. Jeder Staat steht inmitten eines dichten Netzes an internationalen Abkommen. Ähnlich sieht es auch die Justizministerin, Karin Gastinger: "Die immer stärkere internationale Verflechtung macht es erforderlich, dass sich die Einzelstaaten verstärkt untereinander koordinieren, um die negativen Begleiterscheinungen der Globalisierung wirksam bekämpfen zu können".

Andere Negativa für Globalisierung

Der Gewerkschafter Roland Schneider, Vertreter der internationalen Gewerkschaften in der OECD, mahnt beim wirtschaftlichen Wettbewerb weltweit mehr Fairness ein: "Vor allem die Länder der Dritten Welt haben heute mit den Auswirkungen der Globalisierung zu kämpfen. Zwar werden aufgrund des Lohnwettbewerbs immer mehr Produktionsstätten in diese Länder verlegt, doch die Rechte der Arbeiternehmer würden dort oft nicht gewahrt". Hier müssten globale Spielregeln vereinbart werden, meint der Gewerkschaftspolitiker. Es müsse auch den Arbeitnehmern in der Dritten Welt möglich gemacht werden, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Kann die EU bremsend wirken?

Ist Europa die richtige Antwort auf die zunehmende Globalisierung? Zumindest die Politiker hätten das gerne so gesehen, glaubt der Wirtschaftswissenschafter Joachim Starbatty von der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen:

"Gerade die gegenwärtige Krise der EU nach dem Scheitern der Referenden über die Verfassung hat gezeigt, dass dem nicht so ist. Denn viele Probleme, von der Pensionsfrage bis hin zur Gesundheitspolitik müssen auf nationaler Ebene gelöst werden, und da hilft die EU nicht".

US-Loblied auf Freien Markt

Etwas anders sieht man das Thema jenseits des Atlantiks - in den USA. Obwohl sich Amerika selbst durch eine stark protektionistische Wirtschaftspolitik von den Folgen der Globalisierung zu schützen versucht, bricht Wirtschafts-Nobelpreisträger Vernon Smith eine Lanze für Globalisierung und Liberalisierung. Für ihn ist der Freie Markt Voraussetzung für Arbeitsteilung und Spezialisierung und damit wachsenden Wohlstand:

"Je freier ein Markt ist, desto besser ist es für den Prozess der Mehrung von Wohlstand und Reichtum", ist Vernon Smith überzeugt. "Überall dort, wo Barrieren abgebaut wurden, hat sich das positiv auf die Wirtschaftsentwicklung ausgewirkt", meint er.

Keine Grenzen?

Nach den Worten von Vernon Smith kennt die globalisierte Welt heute vor allem am Arbeitsmarkt keine Grenzen. Alte Arbeitsplätze würden durch neue ersetzt..Solange hoch qualifizierte Arbeitsplätze neu entstünden, sei es nicht dramatisch, wenn Unternehmen ihre alten Produktionen in Billiglohnländer auslagerten, erklärt der Nobelpreisträger. In den USA beispielsweise seien in der Computer-Industrie 115.000 hoch bezahlte Arbeitsplätze entstanden, nachdem zuvor in der selben Branche 70.000 weniger qualifizierte Mitarbeiter ihre Stelle verloren hätten. Solange die USA zu den weltweit innovativsten Ländern gehöre, brauche man sich keine Sorgen um die Arbeitsplätze zu machen, meint Vernon Smith:

"Nicht zuletzt leistet die globale Marktwirtschaft auch einen Beitrag zur Verbreitung von Demokratie in der Welt. Besser Güter überschreiten die Grenzen als Soldaten!"

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Links
WKO - Highlights der Alpbacher Wirtschaftsgespräche
Universität Tübingen - Joachim Starbatty
OECD - Building Partnerships for Progress
Universität Wien Juridicum - Theo Öhlinger
Bundesministerium für Justiz - Karin Gastinger
George Mason University - Vernon L. Smith
Institut für Höhere Studien
RHI-Konzern
Europäisches Forum Alpbach