Zwischen alten und neuen Klangwelten

Ein feuriger Musiker

Seit einigen Jahren füllt der Franzose Marc Minkowski die Opern- und Konzertsäle, macht mit seinen Platten beim Publikum Furore. Seine ersten Erfolge feierte er mit Einstudierungen von französischen Barockopern. Fra Bernardo traf ihn zum Interview.

Marc Minkowski gilt seit einigen Jahren als einer der erfolgreichsten Barockspezialisten. Natürlich erstreckt sich sein Repertoire mittlerweile auch auf andere Epochen, sogar bis zur Operette von Jacques Offenbach. Einst waren Harnoncourt und Gardiner seine Vorbilder, erzählt er im ersten Teil des Interviews. Heute geht er auf Distanz. Teil zwei gibt es nächste Woche.

Fantasievolle Barockmusik

Fra Bernardo: Sie haben als Fagottist in verschiedenen Ensembles mitgewirkt. Entstand der Wunsch, selbst ein Ensemble zu gründen und zu leiten, um neue Repertoirefelder zu erschließen? Gibt es für Sie als Dirigent und Musiker Vorbilder?
Marc Minkowski: Ich habe viel in modernen Symphonieorchestern in Paris gespielt. Bereits damals war mein Repertoire sehr breit gefächert. Gerne habe ich Musik des 19. Jahrhunderts aber auch Neue Musik gespielt, wobei ich aber schon immer eine Liebe zur sehr fantasievoller Barockmusik hatte. Barockmusik ist eine besondere Herausforderung für einen jungen Dirigenten. Als Fagottist habe ich immer davon geträumt, einmal mit Harnoncourt spielen zu dürfen. Leider ist es nie dazu gekommen.

Ich habe viele seiner Plattenaufnahmen und auch Konzerte gehört und ich kann mich noch gut daran erinnern wie schockiert ich - im positiven Sinn - von seiner Interpretation der "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi war. Heute bin ich sehr irritiert, wenn man mich mit Gardiner oder Harnoncourt vergleicht. Ich schätze beide sehr, habe viel von ihren Interpretationen gelernt und bin ein großer Fan, aber ich möchte Ihren Stil natürlich keinesfalls imitieren oder gar kopieren.

Aber dennoch kann man sagen, dass Harnoncourt, Gardiner und Reinhard Goebel mit seiner Musica Antiqua Köln meine großen Vorbilder in Bezug auf Barockmusik sind. Für das klassische Repertoire sind dies Toscanini, Stokowski, Reiner und Busch und - als Dirigent unserer Zeit - Sir Simon Rattle.

Erfahrungsunterschiede

Sie arbeiten mit Ensembles auf historischen Instrumenten, aber auch mit Orchestern auf modernen Instrumenten. Welche Erfahrungen haben sie dabei gemacht?
Wenn man Barockmusik auf historischen Instrumenten spielt, so wird dies meist in Kammerorchester-Besetzung gemacht. Dies bedeutet, dass man als primus inter pares mit den Musikern ein Stück erarbeitet. Jeder bringt sich ein.

Auch wenn ich gerade Mozart mit einem modernen Orchester erarbeite, versuche ich gleich vorzugehen. Meist sind die Musiker in diesen traditionellen Orchestern aber nicht gewohnt, wie Kammermusiker zu spielen und auch zu reagieren. Sie erwarten, dass man ihnen bis ins Detail sagt, wie sie zu spielen haben. Wenn ich dann aber einmal Musik des 19. oder 20. Jahrhunderts mit einem großen Orchester einstudiere, ist die Situation total anders.

Ich versuche zu den Musikern durch Bilder zu sprechen, ihnen klarzumachen, dass Orchester nicht nur gemeinsam im Rhythmus und rein spielen heißt, sondern dass dieser große Klangkörper eine Atmosphäre erzeugen soll; eine Atmosphäre, die sich natürlich aus den Visionen des Dirigenten heraus ergibt. Wenn es nicht gelingt, die Musiker zu motivieren, können diese Visionen nicht umgesetzt werden - kann diese Atmosphäre nicht entstehen. Manchmal funktioniert dies, manchmal leider nicht.

Soli Deo Gloria
Euer
Fra Bernardo (alias Bernhard Trebuch)

CD-Tipps
Jean-Philippe Rameau, "une symphonie imaginaire“, Les Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski, Archiv Universal 4745142

Jean-Philippe Rameau, "Dardanus", Les Musiciens du Louvre mit Mark Minkowski, Archiv 463476-2

Christoph Willibald Gluck, "Iphigenie auif Tauris", Les Musiciens du Louvre mit Mark Minkowski, Archiv 471133 2

Jacques Offenbach, "La belle Hélène", EMI 545477 2

Links
laurent delage artists management - Les Musiciens du Louvre
Universal Classics