Wie Autoren Gewalt verarbeiten

Literarische Spuren der Gewalt

Das Bild, das Literaten von Beirut zeichnen, ist von Gewalt geprägt: von der Vorahnung des Bürgerkriegs (Taufik Awwad), dem Alptraum der Hotelkämpfe (Ghada Samman) und der schmerzvollen Bewältigung dieser Geschichte durch Safa und Abdallah.

Adam, der elternlose Dorfbub, kennt Gewalt seit seiner Kindheit. Damals war er Opfer und Zeuge. Später dann, während seiner Studentenzeit und danach als Milizionär, hatte er die Seiten gewechselt, hatte 15 Jahre lang Gewalt gelebt und geliebt. Und dann waren da diese Bilder im Fernseher, die die sterbenden New Yorker Zwillingstürme zeigten. Sie haben alle Gewalt, die er längst bewältigt glaubte, wieder zum Leben erweckt.

Freund Vogelscheuche

Es ist ein ernstes Spiel mit dem Wahn, das die beiden Autoren, der Maschinenbauer Haidar Safa und der Banker Mazen Abdallah, ihren Protagonisten Adam treiben lassen. Unerwartet, wenn er alle Freunde aus seinem Leben jagt. Rätselhaft, wenn eine Vogelscheuche zu seinem einzigen Gefährten wird. Nachvollziehbar, wenn er die Republik des Schweigens ausruft. Verwirrend, wenn die Vogelscheuche zum Leben erwacht. Beunruhigend, wenn Vogelscheuche und Adam vom Nachbarn beobachtet werden. Gewalttätig und irgendwie labyrinthisch, diese junge Geschichte aus Beirut.

Die Schiitin und der Christ

Vor dem Hintergrund des übersprudelnden glanzvollen gewaltbereiten Beirut der Jahre 1968 und 69 spielt der Roman "Tamima", in dem der große alte Mann der libanesischen Literatur, Taufik Jussuf Awwad, die Geschichte einer unmöglichen Liebe erzählt. Die Schiitin Tamima beschließt, sich der häuslichen Gewalt zu entziehen und geht dorthin, wo ihr alle Wege offen zu stehen scheinen: nach Beirut. Und sie gibt sich der Illusion hin, dass für sie auch die religiösen Schranken fallen:

Sie verliebt sich in den christlichen Studenten Hani. Doch unversehens geraten die beiden zwischen die Mühlsteine der Geschichte und der Tradition, die sich auch aus ihren beiden fortschrittlichen Hirnen nicht entfernen ließen. Ein Roman, der 1972 durch die ungeschminkte Darstellung der Frauenfrage und seine unverblümte Sprache für erbitterte Diskussionen in der arabischen Welt sorgte.

170 Albträume und 1 Traum

Für noch größeren Aufruhr sorgte freilich die Journalistin und Autorin Ghada Samman. Nicht so sehr mit ihrem ersten Roman "Beirut 75", der in deutscher Sprache "Mit dem Taxi nach Beirut" heißt, in dem sie die Vorbeben des Bürgerkrieg aufgezeichnet hat: Ihre zweite Arbeit "Alptraum in Beirut", 170 Albträume und 1 Traum, die in Fortsetzungen in einer Literaturzeitschrift erschienen sind, verstörte die Leser so sehr, dass die Herausgeber beschlossen, die Reihe nach dem 130. Alptraum abzubrechen.

Was war zu lesen? Eine Frau sitzt während der Hotelkämpfe in ihrer verdunkelten Wohnung fest, mitsamt ihren Erinnerungen und Ängsten, mitsamt den realen Bedrohungen durch Heckenschützen, Nahrungsmangel, Wassernot, marodierenden Plünderern.

Was man als besonders skandalös empfunden hat: dass sie für keine der Parteien, keine der Religionen Stellung bezog, und dass sie in unzulässiger Weise die Gründe für diesen Krieg außer Acht gelassen hat. Ghada Samman lebt mittlerweile in Paris. Vorübergehend, wie sie beteuert.

Buch-Tipps
Haidar Safa, Mazen Abdallah, "Die Vogelscheuche", Suhrkamp Verlag, ISBN 3518416979

Taufik Jussuf Awwad, "Tamima", Unionsverlag, ISBN 329300071

Ghada Samman, "Mit dem Taxi nach Beirut", dtv, ISBN 3922825400

Ghada Samman, "Alptraum in Beirut, dtv, ISBN 3889771459