Interventionen in Alltagswelten anderer

Katerina Seda, Bildende Künstlerin

Ausgangspunkt der Arbeiten Katerina Sedas ist der Alltag anderer, den sie zuerst geduldig beobachtet, bevor sie ihre Interventionen setzt. Die tschechische Künstlerin erhielt für die surrealen Alltagswelten in ihren Video- und Fotoarbeiten den Essl Award.

An der Akademie der Bildenden Künste in Prag besucht sie zwar die Klasse für Druckgrafik, ihre Arbeiten der letzten Jahre sind aber fast ausschließlich Fotografien und Videos. Als Foto- oder Videokünstlerin begreift sich Katerina Seda dennoch nicht: „Das Video ist für mich kein künstlerisches Medium, weil ich eben nicht das Medium Video an sich bearbeite. Ich verwende es, wie auch die Fotografie, nur ganz simpel als Aufzeichnungsmedium für meine Interventionen.“

Diese Interventionen sind Ergebnis sehr langwieriger Recherchearbeiten: "Das Zentrale an meiner Arbeit ist die Beobachtung eines mir an sich fremden Milieus über einen längeren Zeitraum hinweg. Und zwar eine vorbehaltlose Beobachtung ohne irgendeinen vorgefertigten Plan im Kopf. Wie ich schließlich auf diese fremden Alltagswelten reagiere, welche Interventionen ich schließlich setze, diese Entscheidungen treffe ich erst im Laufe meiner Recherche.“

Das Nichts sichtbar machen

Ihr bislang größtes öffentliches Projekt hat Katerina Seda 2003 mit der Arbeit "Es gibt nichts da“ realisiert. Ein Jahr lang beobachtete sie das Leben in dem kleinen südmährischen Dorf Ponitovice und sprach mit den Einwohnern: "Die Haltung der Menschen dort frappierte mich: Sie waren alle davon überzeugt, dass das wirkliche Leben woanders, vor allem in den großen Städten stattfand. Das Leben in ihrem Dorf empfanden sie als normal bis zur Banalität. 'Da bei uns gibt es nichts' war ein Ausspruch, dem ich immer wieder begegnete und aus dem ich dann den Titel meiner Arbeit ableitete. Genau dieses vermeintliche 'Nichts', diese Normalität interessierte mich aber und ich versuchte eine Form zu finden, diese zu zeigen.“

Seda verteilte Fragebögen an die Bevölkerung, in dem sie akribisch nach deren Tagesablauf fragte: „Ich kam darauf, dass alle Familien ihre Samstage sehr ähnlich verbrachten. Der Vormittag wurde für Einkäufe genutzt, zu Mittag stand bei den meisten die selbe Speise auf dem Tisch, am Nachmittag wurde zumeist geputzt und zum Abend hin ging man zum Wirten auf ein Bier.“

Die Stunden, da wir alles voneinander wussten

Aus den Ergebnissen stellte die junge Künstlerin eine für das ganze Dorf verbindliche "Tagesordnung“ zusammen: "Ich bestimmte einen Samstag und brachte alle Einwohner des Dorfes dazu, genau zeitgleich exakt das Gleiche zu tun. Diese Aktionen habe ich mit insgesamt vier Kameras aufzeichnen lassen.“

Die Videoarbeit, die ab November auch in der Sammlung Essl zu sehen sein wird, vermittelt eine surreale Atmosphäre zwischen unterschwelliger Bedrohlichkeit und abstruser Komik. Fast könnte man Seda als experimentelle Theater-Regisseurin bezeichnen. Dazu könnte einem dann Peter Handkes Schau-Spiel "Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ einfallen, in dem sich Figuren im stetigen Kommen und Gehen immer wieder begegnen. Sedas "Stück“ über ein Dorf im Gleichschritt könnte in Anlehnung daran dann im Untertitel "Die Stunden, da wir alles voneinander wussten" heißen.