Artikel aus dem "Rolling Stone"
Cash
Als Johnny Cash am 12. September 2003 starb, verlor die Musikwelt einen ihrer größten Helden. Der prächtige Bildband "Cash" enthält Artikel aus dem "Rolling Stone", sowie Auszüge aus Cashs Autobiografie. Fans können sich damit hervorragend trösten.
8. April 2017, 21:58
Sein Rang als rebellischer Erneuerer der Countrymusik, vereinnahmter Hitlieferant und eigenwilliger Fürsprecher für Underdogs aller Art ist unumstritten. Wenn man die Biografie des "Man in black" durchgeht, glaubt man gar, ein Hollywood-Drehbuch zu lesen. Seit dem Beginn seiner Karriere Mitte der 50er Jahre durchlebte er alle Höhen und Tiefen eines Rockstars, wie man nun im überaus prächtigen Bildband "Cash" nachlesen kann.
Darin enthalten sind wesentliche Artikel aus dem legendären Fachmagazin "Rolling Stone", sowie Auszüge aus seiner Autobiografie, gespickt mit zahlreichen unveröffentlichten Privatfotos.
Cash in St. Quentin
Die Zeitreise beginnt im Februar 1969 in der für seine Trostlosigkeit berüchtigten Strafanstalt St. Quentin.
"Die Wärter hatten Todesangst. Sämtliche Häftlinge standen auf den Esstischen. Sie waren außer sich", erzählt Johnny Cash. "Als ich den Song das zweite Mal sang, hätte ich lediglich 'Brecht aus!' sagen müssen, und sie hätten es getan. Die Wärter wussten es auch. Ich war in Versuchung."
Auftritte in Gefängnissen waren Ende der 60er Jahre gar nichts Ungewöhnliches. Niemand nahm sie jedoch so ernst wie Johnny Cash. Er wollte ein Zeichen setzen gegen die aufkommenden "Law and Order"-Bestrebungen von Nixon & Co. und für eine Reform des Strafvollzugs inklusive Abschaffung der Todesstrafe. Seine Gefängnis-Auftritte hatten ein gewaltiges Echo in der gesamten amerikanischen Kultur. Was Radikalität und Mut anging konnte kein Musiker Cash damals das Wasser reichen.
Erster Hit: "I Walk The Line"
Der in ärmlichsten Verhältnissen 1932 in Arkansas geborene John R. Cash begann seine musikalische Karriere mit einem wahren Paukenschlag. Als er sich mit 23 beim Vorsingen in Memphis von "Sun Records"-Chef Sam Phillips eine Abfuhr holte, weil dieser voll und ganz mit der beginnenden Karriere eines 19-jährigen Wunderkindes namens Elvis Presley beschäftigt war, setzte er sich einfach trotzig auf die Stufen des Studios und wartete.
Seine Beharrlichkeit zeigte Wirkung. Als Phillips eines Tages besser gelaunt vorbeiging, nahm er den jungen Mann mit den Segelohren mit und gab ihm noch eine Chance. Am nächsten Tag nahmen sie "I Walk The Line" auf, eine Nummer, die er während seines Militärdienstes in Bayern schrieb und die in den Country-Charts sofort einschlug - nicht zuletzt wegen ihres ungewöhnlichen Sounds.
Wechselvolles Leben
Im Lauf der Zeit veränderte Cash mit seiner Einfachheit und Ehrlichkeit die Countrymusik ebenso radikal wie Presley die Popmusik. In 21 Kapiteln wird sowohl Cashs wild bewegte Musiker-Karriere, als auch sein turbulentes Privatleben minutiös und vor allem aus den verschiedensten Blickwinkeln nachgezeichnet:
Die kärgliche Kindheit auf einer Baumwollfarm in Arkansas, der tragische Tod seines geliebten Bruders bei einem Unfall mit einer Kreissäge, der brutale Vater, der einmal Cashs Hund tötete und lapidar feststellte, es gäbe schließlich schon genug davon auf der Welt, die trostlose Zeit in Deutschland, wo er erstmals Alkoholgelage dem Gottesdienst vorzog, der tiefe Fall in den Amphetamin-Sumpf nach seinem Durchbruch als Musiker, seine große Liebe zu June Carter, sein Absturz in die musikalische Bedeutungslosigkeit, seine geheimnisvollen Krankheiten und sein großes Comeback Mitte der 90er Jahre.
Natürlich schimmert hier immer wieder ungehemmte Heiligenverehrung durch, doch angesichts seiner unglaublichen Lebensgeschichte und seines zeitlosen Song-Kataloges stellt sich die Frage: Wer, wenn nicht er?
Wichtigste Alben in den letzten Jahren
Hätte Johnny Cash irgendwann in den 80er Jahren seine Gitarre für immer in die Ecke gestellt, wäre 2003 natürlich immer noch ein großer Sänger von uns gegangen. Doch gerade seine musikalische Spätphase, in der er konsequent seinem kranken Körper trotzte und seinen baldigen Tod ahnte, wie besessen Song um Song aufnahm, gerade diese letzten fünf Alben, mit denen er ein völlig neues Publikum begeistern konnte, sind der Sockel zu seinem Denkmal.
Buch-Tipp
Jason Fine und die Redaktion des "Rolling Stone" (Herausgeber), "Cash", übersetzt von Georg Schmidt, Heyne Verlag, ISBN 3453120191
Veranstaltungs-Tipp
"No Cash, No Hope", Lost Compadres spielen Johnny Cash, Donnerstag, 8. September 2005, Cinema Paradiso in St. Pölten, und Freitag, 9. September 2005, Szene Wien,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten in beiden Lokalen ermäßigten Eintritt.