Viel Arbeit, wenig Einfluss
Frauen in den Medien
Frauen haben in den Medien wohl etwas zu sagen, aber wenig zu reden. In Chefredaktionen sind sie noch immer weltweit eine Seltenheit, und auch die Bezahlung ist schlechter als die der Männer. Ein Workshop in Zypern suchte nach Auswegen.
8. April 2017, 21:58
Margret Gallaher zum EU-Media Screening Projekt
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und gleiche Aufstiegschancen bei gleicher Qualifikation - so lauteten die zentralen und auch anerkannten Forderungen der Frauen Anfang der 70er Jahre. Die Realität sieht heute anders aus.
Warum dies so ist und welche Verbesserungen zur momentanen Situation möglich sind, versuchten 30 Medien-Gewerkschafterinnen und Journalistinnen aus 20 europäischen Ländern bei einem dreitägigen Workshop in Zypern herauszufinden.
Geeinte Märkte - geteilte Welten
Genauso wie in vielen anderen Arbeitsfeldern haben sich auch die Medien in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Das hat vor allem zwei Gründe: neue Technologien und ein globaler Medienmarkt. In Europa gelten vor allem seit der Öffnung der Ostmärkte neue Regeln. Deutsche, schweizerische, skandinavische, aber auch österreichische Verlagsanstalten teilen sich in den neuen EU-Ländern die Pfründe auf.
Einmal mehr leiden darunter vor allem die Frauen. Denn in den Medien herrschen oft widrige Arbeitsbedingungen: unregelmäßige Arbeitszeiten, unbezahlte Überstunden getarnt als flexible Arbeitszeit, Abbau von angestelltem Personal, die als freie Mitarbeiter wiederkehren. Für Gewerkschaften ein breites Betätigungsfeld. Aber gibt es überhaupt überall Journalisten-Gewerkschaften?
Im EU-Osten Gleichberechtigung kein Thema
Im EU-Osten wird nicht für die Rechte der Frauen in den Medien gekämpft, sondern für die Rechte der Journalisten allgemein, für Meinungsfreiheit und für die Menschenrechte. In Serbien gibt es beispielsweise nur eine unabhängige Journalistenvereinigung. Für die Belgrader Journalistin Tamara Skrausa zählt hier nur eines: zu überleben: " Ich verdiene derzeit 180 Euro; auch Männer verdienen nicht mehr. Wir machen jeden Job. Wir schreiben für Playboy, für das Londoner Friedens-Institut, für Fernsehproduktionen. Wir nehmen, was wir kriegen können. Überleben - das ist unser oberstes Ziel!"
Auch für Gjedre Maximaityte, die in Litauen für einen öffentlich-rechtlichen Radiosender arbeitet, stellt sich die Frage der Gleichberechtigung nicht: "Unsere Frauen verstehen überhaupt nicht, was Diskriminierung ist. Für die meisten Frauen würde die Karriere enden, wenn sie Kinder bekämen. Denn in Litauen gibt es zwar eine Karenzregelung, doch das durchschnittliche Gehalt einer Journalistin ist 150 Euro im Monat. Davon könne kein Mensch leben".
Ihre Kollegin aus Lettland, Lena Kilok, Chefredakteurin eines TV-Magazins, beschreibt die Situation in ihrem Land ganz ähnlich. In Lettland gebe es aber inzwischen durchaus etliche Frauen, die es in die Chefetagen geschafft hätten: "Die größte Tageszeitung etwa in Riga wird von einer Frau herausgegeben. Die Frauen bei uns sind zwar in Führungspositionen, aber sie haben keine Solidarität. Feminismus ist ein Schimpfwort".
Europäische Gewerkschaften ein Ausweg?
Das Ziel der deutschen Gewerkschaftsvertreterinnen ist es deshalb, europäische Gewerkschaften zu gründen und die langjährigen Erfahrungen, die die Interessensvertreterinnen in den westlichen Medien gemacht haben, in den östlichen Nachbarstaaten anzuwenden.
Es sei hoch an der Zeit, dass auch die Gewerkschaften über die Grenzen der eigenen Länder hinaus miteinander arbeiten, so Renate Gensch vom Bundesvorstand der deutschen Journalistenunion.. Und ihre deutsche Kollegin von der deutschen Journalistengewerkschaft, Annegret Witt-Barthel, meint, es seien nicht nur die global-agierenden Medienkonzerne und die unübersichtlichen Strukturen, die es den Frauen in den Medien so schwer machen, sich durchzusetzen. Oft kommt der Widerstand gegen die Frauen auch aus den Gewerkschaften selbst.
Vorbild Norwegen
Die norwegische Journalistengewerkschaft hat für alle Medien-Arbeiter die volle Bezahlung während der Karenzzeit erkämpft. "Die Journalistengewerkschaft hat die Vereinbarkeit von Beruf, Ehe und Familie zur obersten Priorität erklärt" , sagt deren Präsidentin Ann Magrit Austena.
Neben der existenzsichernden Bezahlung im Karenzjahr seien in Norwegen auch flexible - das heisst in diesem Fall familienfreundliche Arbeitszeiten - von grosser Bedeutung. Es sei - so Austena - nicht entscheidend, wann eine Journalistin ihre Geschichte produziere, sondern dass sie sie produziere. Dass Eltern gerne ihre Kinder am Morgen in die Schule bringen oder am Nachmittag vom Kindergarten abholen möchten, müsse deshalb auch in Arbeitszeitregelungen berücksichtigt werden. Zahlreiche Untersuchungen zeigten, dass durch solche Möglichkeiten die Produktivität von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steige und nicht sinke.
Sind Frauen selbst schuld?
"Männer teilen unter sich die besseren Jobs auf, die Frauen bleiben bestenfalls im Vorzimmer der Macht", sagt die Britin Mindi Ran, die im Vorstand der Gleichstellungskommission der Europäischen Journalistenföderation sitzt. Sie will Frauen selbst aber auch nicht aus der Verantwortung entlassen:
"Ich glaube, ein Grund, warum Frauen noch immer schlechter dran sind, ist, weil niemand die Frauen unterstützt, an die Spitze zu kommen. Warum sind so wenige Frauen in Führunspositionen? Weil viele Frauen, die es geschafft haben, die Tür hinter sich zusperren. Sie ziehen die Leiter hinter sich hoch nach dem Motto: 'Ich habe mich hochgekämpft, jetzt musst du halt auch kämpfen'. Und dann nehmen Frauen noch immer an, dass Männer die Macht mit uns teilen wollen. Aber das stimmt nicht. Sie werden nicht sagen: 'Komm, Lady, nimm' meinen Platz ein'. Das wird einfach nicht passieren."
Die Mentoring-Methode
Eine hilfreiche Methode zur Förderung von Frauen ist beispielsweise Mentoring. d. h.: Personen, die schon in Führungspositionen sind, unterstützen Mitarbeiterinnen mit Führungspotential. Mindy Ran hat ein klare Vorstellung davon, wie das gehen soll: "Wir müssen junge Frauen nach oben schubsen und so für eine gerechte Verteilung der Macht sorgen. In meiner Gewerkschaft gibt es 40 Prozent Frauen, aber in den entscheidenden Gremien sind sie nicht". Ihr Ratschlag - prägnant zusammengefasst: "Frauen müssen bereit sein, kämpferischer zu sein. Und Männer müssen akzeptieren, dass nicht alle Frauen denselben Testosterin-Spiegel haben wie sie".
In der Schlussdeklaration des Zypern-Workshops wurde betont, die Gewerkschaften müssten künftig aus ihren Geldtöpfen ausreichende finanzielle Mittel für Fort - und Weiterbildung , für Maßnahmen gegen Mobbing und Nötigung und für die Förderung von Journalistinnen in den neuen EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen. Und über dieses Geld müssten Frauen selbstständig - ohne den männlichen Kollegen Rechenschaft ablegen zu müssen - verfügen können.
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