Stadt im Zeichen Wagners

Bayreuther Festspiele 2005

Rund eine Woche noch wird in Bayreuth gespielt. Als Resümee kann man jetzt schon sagen, dass einmal mehr bewiesen wurde, wie notwendig das Konzept der Umsetzung des Werkstattgedankens von Jahr zu Jahr ist, falls man es auch in Angriff nehme. Eine Bilanz.

Wenn im Festspielhaus der Vorhang aufgeht, dann hat der im 86. Lebensjahr stehende, seit einigen Jahren aber mit seiner Risikobereitschaft in der Auswahl der Regisseure alle Kritiker Lügen strafende Wolfgang Wagner dafür gesorgt, dass es mit der Heiligenverehrung ein Ende hat.

Der neue "Tristan“

Heuer ist Christoph Marthaler auf "Tristan und Isolde“ losgelassen worden, Ergebnis: Der Himmel hängt voller Leuchtstoffröhren, die an- und ausgeknipst werden, um den Wechsel zwischen innerer und äußerer Handlung zu illustrieren. Wurde erwartungsgemäß mit vielen Buhs quittiert, aber auch mit großem Jubel für die Sänger, allen voran Nina Stemme, einer imponierenden und auch berührenden Isolde ohne alle Heroinen-Unsitten, und Robert Dean Smith, einem schlankstimmigen und überraschend durchhaltestarken Tristan.

"Parsifal"-Enttäuschung

Im Falle von Christoph Schlingensiefs im Vorjahr skandalisierter "Parsifal“-Inszenierung, einem überladen-verwirrendem Egotrip, war jede Hoffnung leider vergebens. Wieder wird die strenge, kein Verweilen duldende musikalische Deutung durch Pierre Boulez, den Wolfgang Wagner nach dem Jahrhundertring der 70er, 80er Jahre nochmals nach Bayreuth zurückgelockt hat, von den Bühnenvorgängen förmlich an die Wand gedrückt.

Wieder können sich die Sänger nicht entfalten, auch ein so persönlichkeitsstarker Gurnemanz wie Robert Holl nicht, und der als Hoffnungsträger gehandelte neue Parsifal-Interpret Alfons Eberz bleibt mit Stentor-Tönen ebenso hinter dem Rollenideal zurück wie die Kundry von Michelle De Young.

"Lohengrin" und "Tannhäuser" als Labsal

Da kann sich unter den Bayreuth-BesucherInnen freuen, wer zusätzlich auch einen "Lohengrin“ erhascht hat, mit dem Rollen erfahrenen (Ehe-)Paar Peter Seiffert und Petra Maria Schnitzer, und einem Kenner von Werk und Bayreuther Akustik am Pult, Peter Schneider.

Und vollends als Labsal gilt der "Tannhäuser“ in den knallbunten Bildern von Philippe Arlaud, bei dem Dirigent Christian Thielemann standing ovations einfährt und mit Stephen Gould der Siegfried des 2006 auf die Bayreuther Bühne zu stemmenden kompletten neuen "Rings des Nibelungen“ der Tannhäuser ist.

Werkstatt Bayreuth

Wenn die Informationen stimmen, dann haben die musikalischen Proben für diesen neuen "Ring“ bereits begonnen, für den ursprünglich Lars van Trier die spektakuläre erste Wahl als Regisseur gewesen war und den nun Tankred Dorst szenisch deuten wird.

Aber war nicht 1976 der heute gefeierte Patrice Chéreau beim so genannten Jahrhundertring sogar vierte Wahl nach Absagen von Ingmar Bergmann, Peter Brook und Peter Stein? So oder so, auch nach einem Jahr des Atemholens wie 2005, mit wenigen spektakulären Sängerleistungen: Es geht weiter in Bayreuth und Katharina Wagner, die Tochter, feilt schon an ihrem Regiekonzept für "Meistersinger“ 2007.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 25. August 2005, 15:06 Uhr

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Bayreuther Festspiele