Der Mann, der "Brennender Speer" hieß

Kenias erster Präsident

Am 22. August 1978 starb Jomo Kenyatta. Der Mann, der Kenia in die Unabhängigkeit geführt hatte, beeindruckte durch sein Wirken und durch seine Erscheinung. Eine "Naturgewalt" nannte ihn der Historiker Joseph Ki-Zerbo in seiner "Geschichte Schwarz-Afrikas".

Als die Weißen nach Afrika kamen, hatten wir das Land und sie die Bibel. Dann haben sie uns beigebracht, mit geschlossenen Augen zu beten. Als wir die Augen wieder öffneten, hatten die Weißen das Land und wir die Bibel.
Jomo Kenyatta

Am 10. Oktober 1891 wurde in Ichaweri ein Knabe geboren, dem man den Namen Jomo Kenyatta gab, das heißt Brennender Speer. Und da beginnen schon die Ungenauigkeiten. Vielleicht wurde er doch erst 1898 geboren, oder in Ng’enda? Fest steht, dass ihn sein Großvater, ein Medizinmann, mit den Sitten und Gebräuchen seines Volkes bekannt machte, das zu den größten Völkern Ostafrikas gehört: die Kikuyu. Die Kulturtechniken des Westens lernte der Kleine in der schottischen Missionsschule, dort wurde ihm bei der christlichen Taufe der christliche Name John Peter gegeben.

Erstes politisches Engagement
Als junger verheirateter Mann arbeitete er im Wasseramt der Zentralverwaltung von Nairobi. Damals schon engagierte er sich politisch. Er wurde Sekretär und später Vorsitzender der Kikuyu Central Association, der KCA, die sich zunächst vor allem für die Bewahrung ihrer Stammestraditionen einsetzte - und daher immer wieder mit den Kolonialbehörden kollidierte.

Mit der Macht des Worts
Kenyatta gründete 1928 die erste Zeitung Ostafrikas, die in einer afrikanischen Sprache publizierte: der Sprache der Kikuyu. Er veröffentlichte Analysen, Reportagen und Gleichnisse, in denen er die Kolonialpolitik geißelte. Im Jahr darauf schickte ihn die KCA nach London, er sollte dort über die Probleme in den ostafrikanische Kolonien berichten.

1931 reiste er wieder nach Großbritannien und blieb dort bis nach dem Zweiten Weltkrieg, um zu studieren und geistig und körperlich zu arbeiten: 1928 veröffentlichte er sein auf Kikuyu geschriebenes Buch "Facing Mount Kenya", das sich wieder mit der Tradition seines Volkes auseinander setzte, und er schuftete auf einem Bauernhof, den er selbst gekauft hatte. Außerdem erarbeitete er gemeinsam mit anderen politisch interessierten schwarzen Intellektuellen ein politisches Konzept für Afrika für die Zeit nach dem Kolonialismus.

Eskalation der Gewalt
Aber noch pressten die Kolonialherren alles aus dem Land, was sie bekommen konnten. Immer mehr fruchtbares Land wurde den weißen Siedlern zugesprochen, so dass die Unzufriedenheit immer größer wurde. Im Oktober 1952 traf der neue Gouverneur Evelyn Baring in Nairobi ein, der als Antwort auf die unruhige Situation den Ausnahmezustand verhängte und sämtliche Führungspersönlichkeiten verhaften und zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilen ließ, obwohl Kenyatta geltend machte, dass er seit 1947 lediglich versuchte, seine Landsleute über verbesserte Methoden in der Landwirtschaft aufzuklären.

Die Gewalt ließ sich nicht aufhalten: der Mau-Mau-Aufstand brach mit ungeahnter Brutalität über Kenya herein und wurde ebenso gewaltsam niedergeschlagen. Der Weg zur Unabhängigkeit war noch weit. Erst zu Beginn der 60er Jahre ließ Großbritannien die Zügel locker: am 1. Juni 1963 wurde die erste unabhängige afrikanische Regierung mit Kenyatta als Premierminister gebildet. Am 12. Dezember desselben Jahres gewährte London Kenia die Selbstverwaltung und genau ein Jahr später beendete Kenyatta die formale Herrschaft der Königin über das Land und erklärte es zur souveränen Republik Kenia.

Beeindruckende Persönlichkeit
"Trat man Jomo Kenyatta gegenüber", berichtet der Historiker Joseph Ki-Zerbo, "so hatte man den Eindruck, einer Naturgewalt zu begegnen:

Hoher Wuchs, ein Gesicht wie aus Ebenholz geschnitzt, das von zwei großen, lebhaften Augen beherrscht wurde, riesige Hände, wie geschaffen, ein großes Vorhaben anzupacken. Er war sehr traditionsgebunden, trug den Schweif eines Tieres und die Kikuyu-Kappe und praktizierte dennoch mit bewusstem Kontrast die westliche Etikette. Seine kräftige, ruhige Stimme strahlte große Ruhe und unerschütterliche Entschlossenheit aus.

Auch viele Musiker zeigten sich von seiner Persönlichkeit beeindruckt, besangen ihn und seine Ideale. Einer der jamaikanischen Reggaestars nannte sich Burning Spear, und nicht nur eine afrikanische Band führte "Uhuru", das ist "Freiheit" auf Kikuyu, im Namen.

Jomo Kenyatta starb am 22. August 1978 in Mombasa im Alter von 89 Jahren.

Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 19. August 2007, 11:40 Uhr

Buch-Tipps
Joseph Ki-Zerbo, "Die Geschichte Schwarz-Afrikas", Fischer TB, ISBN 3596264170

Hans Hecklau, "Kenia", Beck'sche Reihe Länder, ISBN 3406351743

Link
Africa within - Jomo Kenyatta