Die Familienfabel als bissige Gesellschaftssatire

Charlie und die Schokoladenfabrik

Hollywood-Regisseur Tim Burton hat einen Klassiker des Kinderbuchautors Roald Dahl für das Kino aufbereitet - die 1964 erstmals veröffentlichte Geschichte "Charlie und die Schokoladenfabrik“.

Wonka neigt zu zynischer Weltbetrachtung

Dass Schokolade glücklich macht ist bekannt; doch nicht nur durch ihren Verzehr. Tim Burton führte Regie bei der Verfilmung des Kinderbuchklassikers: "Charlie und die Schokoladenfabrik", von Roald Dahl.

Charlie wünscht sich nichts anderes als einmal in seinem Leben die Schokoladenfabrik, auf die er von seinem Fenster aus blickt, zu betreten. Als er unter den fünf Kindern ist, die eine Eintrittskarte in das Reich des Schokoladeproduzenten Willy Wonka gewinnen, ist dieser überglücklich.

Geprägt von der westlichen Lebenskultur

Doch dann gibt es da noch den sogenannten Hauptpreis, welcher vorerst nicht näher genannt wird, für welchen die Kinder aber dennoch schamlos um Wonkas Gunst buhlen - alle, außer Charlie!

Vorlaut, respektlos, gierig, verzogen, neunmalklug und aggressiv. Vier der fünf Kinder haben üble Charaktereigenschaften, die Regisseur Tim Burton mit viel Humor und bitterer Ironie herauspräpariert. Rückbezüge auf Verhaltensweisen einer westlichen Lebenskultur werden dabei selbst den Jüngsten im Kino nicht verborgen bleiben.

Einzig der aus armen Verhältnissen stammende Charlie widersteht Opportunismus, Prahlerei und aufdringlicher Selbstvermarktung. Er beweist zwischenmenschliche Sensibilität und ehrenhafte Selbstlosigkeit.

Wonkas Schokoladentrauma

Tim Burton hat sich im weitesten Sinne an der Buchvorlage und damit am schwarzen Humor von Roald Dahl orientiert. Er setzt dennoch bewußt zusätzliche Akzente, welche auf die Bedeutung sozialer Verantwortung bei Kindern eingeht.

Während Wonka im Buch den Kindern ihre Persönlichkeitsdefizite stets mit Schrulligkeit und Augenzwinkern zu verdeutlichen versucht, neigt die Filmfigur Wonka zu blankem Zynismus. Zudem leidet Wonka im Film an einem Kindheitstrauma, das ihm sein Vater beschert hat, welches im Buch nicht vorkommt. Sein Vater war Zahnarzt und nicht nur streng, sondern das Schokoladeverbot allein schon eine Sache der Berufsehre. Ein Liebesentzug mit Folgen.

Bissige Gesellschaftssatire

Die farbenfrohen Fassaden des Süßwarenreichs unterläuft Tim Burton permanent mit subversivem Spott. So wird aus einer vordergründig moralischen Familienfabel eine bizarr-bissige Gesellschaftssatire. Diese im Kino genossene Schokolade hinterlässt in jedem Fall nicht nur einen süßen Nachgeschmack.

Charlie und die Schokoladenfabrik
USA, 2005
mit: Johnny Depp, Freddie Highmore, Christopher Lee, Julia Winter, Helena Bonham Carter
Drehbuch: John August nach Roald Dahl
Regie: Tim Burton