Von Gier und Blut
Der Schweiß der Sonne
Seit jeher nehmen Menschen ungeheure Strapazen auf sich, sobald sie hoffen, in den Besitz von Gold zu gelangen. Die Kunde vom sagenhaften Goldmengen lockt eine große Zahl Abenteurer in die Neue Welt, doch ihr Paradies El Dorado haben sie nie gefunden.
8. April 2017, 21:58
Von Gier und Blut
Kaum hatte Kolumbus die Neue Welt "entdeckt", begann auch schon die Suche nach den sagenhaften Schätzen. Immerhin war er von den spanischen Königen subventioniert worden, um einen neuen Weg ins steinreiche und exotische Cipangu zu finden. Was Kolumbus nach Hause brachte, schien seinen Geldgebern nicht der Rede wert: Tabak, Mais, Bananen.
Nichts wie hin!
Es dauerte nicht lange, da erzählte man sich hinter vorgehaltener Hand von El Dorado, dem goldenen Mann, der im Rahmen einer Opferzeremonie Unmengen von Gold und Smaragden in einem See versenkte. Der logische Schluss für die europäischen Abenteurer: Es muss genug von dem Zeug da sein, also nichts wie hin!
Und einige wenige wurden reich belohnt. Hernán Cortes, der mit seinen Mannen die Azteken ausplünderte, Pedro de Alvarado "Tunathiu", Sonne, der sich an den Maya bereicherte, Francisco Pizzarro, der vom Inkaherrscher Atahualpa einen Raum Gold, den "Schweiß der Sonne", und zwei Räume Silber, "Tränen des Mondes", als Preis für sein Leben verlangte - und ihn dann doch tötete. Und die spanische Krone natürlich.
Opfergaben der Muisca
Alle waren überzeugt, dass da mehr sein müsse. Bei den Muisca zum Beispiel, nördlich von Bogotá am Guatavita-See, wo die feierliche Zeremonie des El Dorado abgehalten wurde, war die erste Amtshandlung des neuen Königs: Er wurde von Kopf bis Fuß mit Goldstaub bedeckt und auf ein Floß gestellt. Zu seinen Füßen wurden große Mengen Gold und Smaragde aufgehäuft. Dann setzten sich vier seiner höchsten Würdenträger, ebenfalls geschmückt und mit reichlich Opfergaben ausgestattet, zu ihm. In der Mitte des nahezu kreisrunden Sees übergaben sie ihre Opfergaben dem Wasser. Gemessen an den Mengen, die der neue Muisca-König jedesmal zu versenken pflegte, scheint der Ring, mit dem der Doge das Meer ehelichte, geradezu lächerlich.
Natürlich machten sich die Eroberer sofort daran, den Schatz vom Grunde des Sees zu bergen. 1545 versuchte man zum ersten Mal, den See auszubaggern. 1580 startete das ungeheuerliche Unternehmen des Antonio de Sepulveda: Er wollte den See trocken legen. 8.000 indianische Arbeitskräfte mussten eine Kerbe am Rand des Sees öffnen, durch die das Wasser abfließen würde. Um zwanzig Meter wurde der Wasserspiegel gesenkt, dann brach der Einschnitt über vielen Arbeitern zusammen. Der Lohn: ein goldener Brustpanzer, ein mit Goldplatten verkleideter Stock und ein Smaragd von der Größe eines Hühnereis.
Mythische Stadt Manoa
Darauf suchte man Eldorado woanders. Irgendwo in den undurchdringlichen Urwäldern musste sie sein, die mythische Stadt Manoa, in der selbst die Kochtöpfe aus Gold waren. Mehr als 200 Jahre kämpften sich Abenteurer aller Herkunft in der Hoffnung auf reiche Belohnung an Schlangen und riesigen Moskitos durch das Amazonasbecken, aber von Manoa keine Spur.
Einer der berühmtesten war Sir Walter Raleigh, der 1595 im Auftrag von Königin Elizabeth I. von England erfolglos den Dschungel durchkämmte. Der letzte machte sich 1922 auf den Weg, in der festen Überzeugung, die genaue Lage Eldorados zu kennen: Colonel Percy Fawcett. 1925 hörte man zum letzten Mal von ihm, und in den 1950er Jahren entdeckte eine brasilianische Expedition im Gebiet der Kalapos-Indianer seine sterblichen Überreste.
Service
Juan Carlos Botero, "Die Schatzsucher", erschienen bei Droemer Knaur