Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller?

Dichten lernen

Die jungen Autoren, hört man, hätten sich eine kalte Perfektion zugelegt, die nicht mehr zu ertragen sei. Man muss nicht lange nach den Ursachen forschen, um fündig zu werden. Man kann sich heutzutage nämlich zum Schriftsteller ausbilden lassen.

Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt? Ich nicht. Denn nichts ist überflüssiger, als darauf eine Antwort zu suchen. Es will ja auch niemand wissen, wie man ein verdammt guter Wurstverkäufer wird. Jeder, der ein Schriftsteller werden möchte, ein verdammt guter noch dazu, hat von Anfang an verloren. Wer etwas möchte, darf sich hinten anstellen!

Oder einen Schreibkurs besuchen. Davon gibt es viele und einer ist unnützer als der andere. Dort treffen Menschen, die verdammt gute Schriftsteller sein möchten auf Menschen, die verdammt gute Schriftsteller werden wollen. Das Unterfangen ist so viel versprechend wie die Vereinigung zweier unfruchtbarer Menschen zwecks Familiengründung. Die Lust währt kurz, der Frust hingegen lang.

Die Wahrheit hinter den Literaturkursen ist so einfach wie die Wahrheit hinter fast allem: Die einen brauchen Geld, weil ihr Wollen zu wenig einbringt, die anderen haben Geld und wollen dafür etwas bekommen, was man nicht kaufen kann. Die Sache wird nicht edler dadurch, dass man solche Kurse institutionalisiert und ein ordentliches Studium daraus macht.

In München steht ein Hofbräuhaus und in Leipzig ein Literaturinstitut. Na gut, könnte ich jetzt sagen, soll sein, weder lockt mich der Genuss schalen Biers in einer bayerischen Trinkhalle, noch eine literarische Gehschule im biederen Sachsen. Aber ehe jemand nach Norwegen fährt, um gemeinsam mit anderen verirrten Sinnsuchern in einen Fjord zu springen, soll er meinetwegen Alkoholiker oder Schriftsteller werden wollen.

Während mich aber die Ersteren in Ruhe lassen, haben es sich Letztere in den Kopf gesetzt, die literarisch interessierte Öffentlichkeit und vor allem jene, die beruflich mit Literatur zu tun haben, von der Sinnhaftigkeit ihres Wollens zu überzeugen. Sie wollen interessant sein, weil sie Schriftsteller werden wollen. Verdammt gute noch dazu. Potztausend! Sie veröffentlichen sogar Bücher, mit denen sie den Beweis antreten wollen, dass sie wollen, und wie. So viel Wollen war noch nie! Immerhin habe man in Leipzig studiert, man sei diplomierter Textverfasser, man kenne sich aus mit dem Strukturieren und dem Adjektivverbot und dem Bildhaftigkeitsgebot und all diesen Dingen, mit dem Maulaufreißen natürlich auch, und mit der richtigen Attitüde zum richtigen Zeitpunkt, denn um ein verdammt guter Schriftsteller zu sein muss man den Medien ein verdammt gutes Gesamtkonzept auf den Tisch klotzen.

In Leipzig, lese ich, fallen die meisten Studenten durch, deshalb begreife man sich als Kaderschmiede. Nun ja, aber wofür? Braucht die Literatur tatsächlich Kaderpersonal? Burkhard Spinnen, dem umtriebigsten Propagandisten der Leipziger Methode, ist eine solche Kruppstahlmentalität zuzutrauen, wenngleich nach außen hin listig abgefedert durch seine pastorale Art des öffentlichen Auftritts.

Ja, Burkhard Spinnen ist auch Schriftsteller, nur weiß das fast niemand. Das ist gut so, denn wenn er zum Beispiel seiner Arbeit als Juror beim Bachmann-Preis nachgeht, könnte ihn jemand an seine eigenen Unzulänglichkeiten erinnern.

Und Josef Haslinger? Hat sich schon einmal jemand gefragt, was in Josef Haslinger gefahren ist, dass er sich als Literaturlehrer geriert? Er hätte Schriftsteller werden sollen, meinetwegen ein verdammt guter. Stattdessen will er schreibendes Jungvolk in der so genannten Kaderschmiede zu geschmeidigen Verfassern zeitgeistiger Gleichschaltungsliteratur formen, die dann allesamt vom Verleger Klaus Schöffling zwecks kurzfristiger Mehrwerterzielung rekrutiert werden. Dass der Großteil von ihnen den Literaturbetrieb dann doch nicht so aufmischt, mag ein Zeichen dafür sein, dass es auf der Welt noch Gerechtigkeit gibt. Es hat ja auch Josef Haslinger mit seiner spekulativen Professorenliteratur den Betrieb nicht aufgemischt.

Im Gegenteil: Er liefert konsequent Bücher, die man von ihm überhaupt nicht lesen will. Auch so gerät man ins Abseits. Man kann halt nicht elitär und mehrheitsfähig zugleich sein wollen. Man soll überhaupt nichts wollen. In der Kunst will man nichts. Man will schon gar nicht verdammt gut sein. Man ist es einfach. Oder auch nicht. Da hilft kein Ausflug nach Leipzig, von irgendeiner Schule für Dichtung will ich gar nicht erst sprechen. Es kommt noch der Tag, an dem das Wort "Leipzig" unter Kritikern und Lesern nur mehr Brechreiz erzeugt. Vielleicht muss wirklich ordentlich gekotzt werden, um irgendwann das Wettlesen in Klagenfurt wieder verdauen zu können.

Buch-Tipp
Josef Haslinger und Hans-Ulrich Treichel (Hg.), "Wie werde ich ein verdammt guter Schriftsteller? Berichte aus der Werkstatt", Edition Suhrkamp, ISBN 3518123955