Von Händel zu Wagner
Auf dem Weg zur Spitze
Im Spezialistenzeitalter gilt es als Tabu, Opernpartien von Mozart, Wagner, Puccini, Händel und Strauss parallel anzubieten. Die Großen der Vergangenheit taten es allerdings alle. Die junge Sopranistin Anja Harteros versucht derzeit dort anzuknüpfen.
8. April 2017, 21:58
"Das waren noch Zeiten, als Sopranistinnen Mozart und Wagner, Strauss und Händel und Puccini gesungen haben und nicht alles Spezialistinnen waren für einzelne Nischen! Wer kennt ihn nicht, den Stoßseufzer aus dem Mund von Opernfreundinnen und -freunden. Anja Harteros, deren Name bereits die deutsch-griechische Abstammung verrät, beweist derzeit, dass es auch heute noch anders geht.
Ein neuer Name in der Opernwelt
Mit "New Girl in Town haben die "Opera News, das Opernmagazin der Metropolitan Opera, im März 2004 ihr Titelinterview mit Anja Harteros überschrieben, aus Anlass ihrer ersten New Yorker Donna Anna in "Don Giovanni, der eine begeistert aufgenommene "Figaro-Gräfin vorangegangen war. Die Karriere von Anja Harteros hat in den späten 1990er Jahren begonnen, und da sie sich weiterhin ohne große Plattenfirma oder PR-Maschinerie im Hintergrund entfaltet, ist der Name Harteros nach wie vor allem dort ein Begriff, wohin ihre Gastspiele die Sängerin bereits geführt haben.
Von Arabella zu Alcina
Erster Schauplatz ist München, die Bayerische Staatsoper, Jänner 2005: Anja Harteros bei ihrem Rollendebüt als Arabella in der Oper von Richard Strauss. Wenn sich der Vorhang hebt, sitzt da "eine junge Filmschönheit mit langen schwarzen, gekräuselten Haaren, in einem Kleid, das sich an den schlanken Körper schmiegt - eine Erscheinung, die magisch alle Blicke auf sich zieht - das wird sich den ganzen Abend nicht ändern. Genau zu dieser Optik passt der anmutige Edelsopran von Anja Harteros, für die Jungmädchengestalt prädestiniert, schlank geführt. ("Merker")
Die Münchner Opernfans - lange durch Lisa della Casa, dann durch Julia Varady als Arabella verwöhnt - haben das Außergewöhnliche dieses Rollenporträts, die Selbstverständlichkeit im Gesanglichen, in der Diktion, in den Ausdrucksnuancen, in allen Facetten, die eine Bühnenfigur wie selbstverständlich erstehen lassen, sofort erkannt und mit Jubel reagiert.
Zweiter Schauplatz: wiederum München, diesmal das Prinzregententheater, Münchner Opernfestspiele 2005. Neben Barock-Spezialistinnen und - Spezialisten wie Sonia Prina, Deborah York oder John Mark Ainsley, neben der an Alter Musik geschulten Vesselina Kasarova, in einer Neuproduktion unter der Leitung von Ivor Bolton, ist Anja Harteros diesmal die Sängerin der Titelrolle von Georg Friedrich Händels "Alcina.
Stationen und Ausblicke
Anja Harteros, im Elternhaus musikalisch gefördert, in Deutschland ausgebildet, war bereits in Gelsenkirchen und Bonn im Engagement gewesen, ehe sie der Gewinn des ersten Preises beim "Singer of the World-Gesangswettbewerb in Cardiff 1999 ins Rampenlicht katapultierte. Danach steckten bald Agathe im "Freischütz in München, Mimi in "La Boheme und Eva in den "Meistersingern in Wien, Violetta in "La Traviata in San Diego die Grenzen, innerhalb derer sich Anja Harteros vielfältiges Repertoire im Wesentlichen noch heute bewegt.
Umso überraschender kam die Ankündigung für die Münchner Alcina, der im Sommer 2006, wiederum an der Bayerischen Staatsoper, mit der Elisabeth in Wagners "Tannhäuser einmal mehr eine neue Rolle folgen soll, die gegensätzlicher nicht sein könnte. Wird Anja Harteros diesen Herausforderungen gewachsen sein? Sie kennt die Risken des totalen Abdriftens ins Wagner-Fach, und gibt an, privat gerne die Aufnahmen von Schwarzkopf, Della Casa, Seefred, aber auch Mödl, Varnay und Callas zu hören - da sind ein paar warnende Beispiele dabei.
Andererseits: Wer die gesanglichen Hürden einer Arabella so geschmeidig und selbstverständlich zu nehmen weiß, wer danach die von Händel geforderte stimmliche Agilität auch noch aufbringt, um den muss einem nicht bang sein. Traumrollen? Vielleicht Marschallin, in ein paar Jahren, vielleicht auch Leonora in "La forza del destino. "Ich wachse an jeder Rolle, sagt Anja Harteros, "und jeder Ton, den ich singe, ist wirklich ein Teil von mir.