US-Studie zu den Glimmstängeln im Film
Wahre Helden rauchen nicht
Ich hab sie alle geliebt, die Raucher im Film. Keiner ohne Zigarette, der etwas auf sich hielt. Und das fast ein Jahrhundert lang. Doch damit ist's vorbei. Denn der wahre Leinwand-Held darf nicht mehr rauchen. Nur mehr der Bosnigl.
8. April 2017, 21:58
Und ewig raucht der wahre Held - das ist zumindest meine Meinung. So lange man sie noch öffentlich kundtun darf und deswegen noch nicht mit Fernseh-, Radio- oder Zeitungs-Auftrittsverbot belegt ist, tue ich es noch g'schwind. Denn Nichtraucher soll ja jetzt alle Welt werden. Doch wenn ich schon - aus demselben Grund wie Ihr alle, Ihr Armen - selbst aufhören musste mit dem Rauchen, möchte ich wenigstens im Kino den blauen Dunst und alles damit gemütlich und cool Verbundene genießen; mich daran erinnern wie herrlich es war, mich wie Humphrey oder Robert d. N. oder Clint zu fühlen.
Verglühende Kippen
Bogey mit nie verglühender Kippe im Mundwinkel, Marlene Dietrich mit rauchverschleiertem Blick, Clint Eastwood, den Zigarillo zwischen zusammengebissenen Zähnen im Angesicht seiner Feinde - Hollywoods Geschichte wäre nur halb so trächtig ohne die coolen Kettenraucher. Wie aber geht die Branche heute, da militante Nikotin-Abstinenzler die Weltherrschaft übernehmen, mit den Rauchern im Film um?
Leinwand und Alltag
Kürzlich veröffentlichte das Fachjournal der amerikanischen Lungenärzte-Vereinigung eine Studie, in der der Nikotinkonsum in insgesamt 447 Filmen der 1990er Jahre analysiert wurde, unter ihnen Kassenschlager wie "Independence Day", "Armageddon" oder "Jerry Maguire".
Das Ergebnis korrigiert unter anderem - und zum Glück! - die öffentliche Wahrnehmung, dass nämlich dank allgegenwärtiger Antirauchkampagnen in der Filmhandlung weniger geraucht werde. In Wirklichkeit liegen Leinwandkonsum und Alltagsmissbrauch in der US-Gesellschaft in etwa gleich auf: 23,3 Prozent zu 21,8 Prozent.
"Coffee and Cigarettes"
Ach was hab ich alleine den Titel dieses Jim-Jarmusch-Films geliebt. Genießer waren da auf der Leinwand. Die wahren Helden saßen da am Tisch und pafften, was das Zeug hielt. Herrlich. Da musste ich schon gar nicht mehr selbst rauchen. Schon alleine der Anblick reichte mir. Denn klar, bei so viel Rauch verbrennt einem natürlich die Zunge. Grausig.
Also ich brauche beim Anblick eines Rauchers im Kino kein Duftkino. Mir reicht das Bild. Alleine das Bild ist wunderschön. So schön, so gustiös anzuschauen, wenn der blaue Dunst im Lichtkegel gegen die Zimmerdecke zieht. So lasziv, wenn die schöne Film-Diva ihrem Anbeter den Rauch ins Gesicht bläst.
Schurke müsste man sein
Doch zurück zur Studie der amerikanischen Lungenärzte-Vereinigung. Sehr überraschend ist folgendes Resultat der Untersuchung: In Hollywood greift heute nicht der Held, sondern der Schurke zur Zigarette. Wenn nun das Kino tatsächlich die Vorbildfunktion hat, die ihm immer unterstellt wird, müsste sich dieser dramatische Paradigmenwechsel auf die Rauchgewohnheiten des Publikums ausgewirkt haben. Und es sieht in der Tat danach aus.
Männer rauchen aktuellen Studien zufolge weniger - logisch. Warum aber steigern Frauen gegenwärtig ihren Konsum? Möglicherweise sind sie ja resistent gegen - männliche - Vorbilder. Oder sie stehen insgeheim eher auf Schurken statt auf Helden? Da bin ich mir sogar sicher. Denn nicht nur eine Zeitgenossin, der ich auf den Fersen war, hat mir bei meiner Verweigerung eines Glases Alkohols oder einer Zigarette vorgeworfen, ich sei lustfeindlich. So sieht's aus. Sie finden die richtigen Kerle mit Tschick einfach grundsätzlich besser? Ich denke, das müsste als Nächstes untersucht werden.
Nichtrauchender Leinwand-Raucher
Und die Moral von der Geschicht': Vielleicht sollte ich Leinwand-Star - und zwar ein böser - werden und nur bei meinen Filmauftritten paffen. Dann hätte ich eine neue, perfekte Ausrede, könnte rauchen und wäre trotzdem Nichtraucher. Denn so viel rauch' ich ja nicht in 90 Minuten.
"Ich rauche nur auf der Leinwand" würde ich dann zu meinen Freunden sagen, die ja nie vergessen mich darauf hinzuweisen, dass ich eigentlich aufgehört hätte zu rauchen. Wahrscheinlich nicht deshalb, weil sie mir Gutes wollen, sondern weil sie mich leiden sehen wollen. So wie sie selbst gelitten haben, damals, als sie selbst zu rauchen aufgehört haben.
So, und jetzt borg' ich mir die "Smoke"- und "Blue in the Face"-DVDs aus, belege nachher einen Schauspielkurs, werde anschließend Schurke und rauche in den 90-Film-Minuten, die ich habe, was das Zeug hält.