Schottland in den 50ern
Young Adam
"Young Adam" ist Titel und Titelheld eines bereits drei Jahre alten englischen Thriller-Melodrams, das erst jetzt in heimische Kinos kommt. Der mit Ewan McGregor und Tilda Swinton besetzte Streifen lohnt das Warten.
8. April 2017, 21:58
Eine Zierde seines Geschlechts ist dieser "junge Adam" nicht: Seine Schriftstellerkarriere kommt nicht in Gang, seinen Lebensunterhalt verdient sich der Mann im Schottland der 50er Jahre auf einem alten Kohlenschiff und als er erfährt, dass eine seiner zahllosen Freundinnen ein Kind von ihm erwartet, denkt er nicht daran, sie zu heiraten. Als schließlich eine Wasserleiche aus einem der Kanäle gefischt wird, stellt sich heraus, dass der zwielichtige Held der Geschichte mehr über den Fall zu wissen scheint als er selbst zugibt.
Trügerische Tradition
Unerwünschte Schwangerschaften in ärmlichen Verhältnissen: Das klingt stark nach englischen Sozialdramen von Regisseuren wie Ken Loach oder Mike Leigh. Dessen erst kürzlich hier gezeigter Film "Vera Drake" hatte ja das Schicksal einer Abtreiberin im England der Nachkriegsjahre in den Mittelpunkt gestellt. Doch diese Tradition trügt hier. "Young Adam" folgt anderen Spuren und erinnert in seiner stilisierten Künstlichkeit eher an schräge englische Thriller wie "Sexy Beast" oder "Gangster Nr.1". Regisseur David Mackenzie sieht seinen Film denn auch als schwarzes Märchen.
Gebrochene Strukturen
Die sanfte Trauer der Filmmusik von David Byrne, die graugrün abschattierten Farben und vor allem die gebrochene Erzählstruktur, die mit ihren zahllosen Rück- und Vorausblenden an die labyrinthischen Filme von Nicolas Roeg ("Wenn die Gondeln Trauer tragen") denken lässt, verleihen dem Film schillernde Vieldeutigkeit, ohne der Handlung ihre Spannung zu rauben.
Die treibt zuletzt auf eine moralische Entscheidung zu, die so pessimistisch gelöst wird, dass deutlich wird, warum bereits der dem Film zu Grunde liegende Roman von Alexander Trocchi mit dem "Fremden" von Albert Camus verglichen wurde. Regisseur Mackenzie hat mittlerweile bereits einen weiteren, hier noch nicht gezeigten Film realisiert: "Asylum" nach Patrick McGrath, auch das ein düsteres Melodram von hohen Graden. Das Talentreservoir des britischen Kinos scheint unerschöpflich.
Young Adam
GB, 2003
Mit: Ewan McGregor, Tilda Swinton u. a.
Drehbuch und Regie: David Mackenzie