Meinungsbildungsprozesse im Gehirn

Wie das Gehirn Bewusstsein produziert

Amerikanische Forscher versuchen mit Methoden der Hirn- und Emotionsforschung politisches Verhalten zu entschlüsseln. Wie wirken sich TV-Konfrontationen aus? Wie funktioniert der Mechanismus des politischen Meinungsbildungsprozesses.

Wissenschaftler in den USA versuchen mit den Methoden der Hirn- und Emotionsforschung das politische Verhalten zu entschlüsseln. Es verwundert nicht, dass diese Forschungen gerade in den USA an Bedeutung gewinnen.

Denn die Beteiligung an Wahlen ist in den USA, verglichen mit Europa, deutlich niedriger. Nur die Hälfte der Stimmberechtigten macht sich etwa die Mühe, einen Präsidenten zu wählen.

Hirnimaging

Auch Darren Schreiber, Politikwissenschaftler an der Universität von Kalifornien in San Diego möchte gerne wissen, was sich in den Köpfen der Menschen abspielt, wenn sie politisch denken.

Hirnimaging faszinierte ihn von dem Zeitpunkt an, als diese Methode Ende der 90er-Jahre, populär wurde. Er ist einer der Ersten, die funktionelle Kernspinresonanztomographie in der Politikwissenschaft einsetzen.

Informierte und Uninformierte

Kategorien unter die Lupe: Seit den 60er-Jahren gebe es das Konzept von so genannten politischen "Sophisticates".

So bezeichnet er jene Menschen, die politisch interessiert und informiert sind, und den so genannten "novices", den Novizen - den Neulingen - die in politischen Belangen wenig informiert sind.

Uninformierte halten sich in ihren Antworten auch nicht an Parteilinien. Sie mögen sich zwar eher mit den Demokraten identifizieren, doch das schließt die Befürwortung des einen oder anderen konservativen Standpunktes nicht aus. Bei den politisch Gebildeten stellte Darren Schreiber dagegen Scheuklappendenken fest.

Ein Versuch

Schreiber wollte als nächstes Wissen, was im Gehirn von politisch Gebildeten oder Ungebildeten vorging, wenn man sie mit einer Reihe von Aussagen konfrontiert. Die Fragen an die Testpersonen, waren in sich kompliziert und widersprüchlich.

"Ein Satz lautete etwa: Die Regierung sollte Adoption fördern, indem sie die Abtreibung verbietet. Wenn man das aufs erste hört, denkt man: Aha, Adoption fördern ist eine gute Sache. Beim Abtreibungsverbot wird sich ein konservativer Republikaner vermutlich denken: Jawohl! - Ein Demokrat wiederum, der Adoption für gute, moralische Sozialpolitik hält, hätte damit vermutlich Probleme", sagt Schreiber.

Welche Gehirnregionen werden aktiv?

Politisch Uninformierte mussten über diese Behauptungen länger nachdenken. Das Hirn-Imaging zeigte, dass es sich für sie um eine komplexe kognitive Aufgabe handelte. Allerdings wurde diese in verschiedenen Köpfen verschieden behandelt. Manche gingen an die Sätze wie an ein mathematisches Problem heran, andere wie an eine Aufgabe aus dem Sprachbereich.

Die politisch Informierten bewältigen solche Fragen automatisch, wie etwas, das im sozialen Kontext zu sehen ist. Die Unterschiede im Gehirn zwischen politisch Informierten und Uninformierten zeigt sich im limbischen System, - einer Hirnregion, wo Bewertungen automatisch zu erfolgen scheinen. Und dieser Teil des Gehirns zeigte bisher nur bei zwei Prozessen Aktivität: bei sozialen Interaktionen oder bei einer moralischen Beurteilung.

Der Sitz des politischen Denkens

Wenn sich das politische Denken der Informierten in der Hirnregionen für soziale Kommunikation abspielt, dann bedeutet das auch, dass dafür kein besonderes Talent vorhanden sein muss. "In dem Maß, indem ich die Hirnvorgänge besser verstehe, komme ich immer mehr zu dem Schluss: Wir sind eigentlich alle politische 'Sophisticates'. Wir sind dafür ausgestattet", meint Schreiber.

Was politisch Uninformierten fehlt, so der Politikwissenschaftler Darren Schreiber, sind die automatisch vorgenommenen Evaluierungen im Alltag. Sie haben so zusagen einfach nur Schwierigkeiten ihr Wertesystem des Alltags in der Politik anzuwenden.

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