Das Geschäft mit dem Sport

Der Körper als Kapital

Zuerst waren es totalitäre Regimes, die u. a. über den Sport die Massen bewegten. Mitte der 50er Jahre begann die Zeit des passiven Massensports. Erst als die Menschen über mehr Freizeit und über mehr Geld verfügten, füllte der Sport das Sinnvakuum.

Nie war der Körper des Sportlers so sehr Symbolträger wie in der Antike - und dann wieder im 20. Jahrhundert. Der Körper war und ist die wichtigste Währung der politischen und wirtschaftlichen Eliten in Gesellschaften, die sich durch individuelle Leistungs- und nicht zuletzt auch Leidensfähigkeit definiert.

Der Körper ist nach neuzeitlicher Einschätzung das einzige beherrschbare Kapital des Einzelnen, beherrschbar aber auch von außen, durch die Gesellschaft. Im Sport wird er diszipliniert und geformt. Vor allem: Nirgendwo wird das Ideal einer auf Leistung und Leistungssteigerung ausgerichteten Gesellschaft so klar zum Ausdruck gebracht, wie im Sport. Und das wiederum macht ihn so reizvoll für die Vereinnahmung durch die Wirtschaft.

Unterhaltung, Umsatz, Quote

Je besser die Leistung des Sportlers, desto höher die mediale Aufmerksamkeit. Damit verbunden ist der Werbewert, und mit dem Werbewert der Marktwert. Mit dem Marktwert steigt auch die Verantwortung für die äußerst krisenanfälligen Konstrukte, die die Arbeitgeber der Sportler darstellen, seien es Fußballklubs, Formel-1-Rennställe oder nationale Schiverbände. Ihr wirtschaftlicher Erfolg steht und fällt mit dem sportlichen Erfolg des Athleten.

Bereits in den 30er Jahren hielt der niederländische Historiker Johan Huizinga fest: "Der Sport ist vollkommen weihelos geworden und hat keine organische Verbindung mehr mit der Struktur der Gemeinschaft. Er ist viel mehr eine selbständige Äußerung agonaler Instinkte als ein Faktor eines fruchtbaren Gemeinschaftssinnes."

Beim Sport handelt es sich um das kommerziell wichtigste Segment der globalen Unterhaltungsindustrie. Und hier geht es um keine ideellen Werte, sondern um Spaß- und Gewinnmaximierung.

Spitzensport als Wirtschaftsfaktor

Eine Trennung zwischen Sport und Wirtschaft ist nicht mehr zu erkennen ist. Fußballclubs sind in erster Linie mittlere und große Unternehmen, deren Mehrheitseigentümer aus der Wirtschaft kommen und die bei ihrem Engagement kommerzielle Interessen haben. Aber auch Dachverbände wie der Weltfußballverband FIFA oder der Welttennisverband WTO setzen sich weniger mit sportlichen Entscheidungen auseinander, als vielmehr mit Marketingstrategien.

Investition in die Ich-Aktie

Der Sport ist heute vor allem eine Notwendigkeit auf dem Weg zur Aufwertung des Einzelnen in einer auf Funktionalität ausgerichteten Gesellschaft. Es gibt nämlich einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Neoliberalismus und Körperbild. In einem System, in dem sich nur leistungsfähige und junge Menschen behaupten und durchsetzen können, gelten Alter und Beeinträchtigung als Makel. Und diesem Makel gilt es vorzubeugen. Die so genannte "Unfähigkeitsgesellschaft" braucht Krücken oder Prothesen, um sich fit zu machen für die propagierte Gesellschaft der Fähigen - also der Flexiblen, Mobilen, Gesunden, Einsatzfreudigen.

Knapp 40 Prozent der Österreicher laufen regelmäßig, sehr hoch ist übrigens der Akademikeranteil. Eine Million Menschen in diesem Land betreiben regelmäßig Nordic Walking. Überhaupt betreiben nur 19 Prozent der Bevölkerung keinen Sport, Kleinkinder, alte und behinderte Menschen mitgerechnet.

"In einer Zeit, in der die Erfahrung des Flüchtigen, Kontingenten und Fragmentarischen das Bewusstsein vieler Menschen bestimmt, wird der Körper zu einem festen Kristallisationspunkt für Selbstverwirklichung und allgemeine Lebensbejahung", schreibt der Sportwissenschafter Karl-Heinrich Bette. "Der funktionsfähige, fit getrimmte, jugendlich gestylte und sportive Körper wird zu einem Statussymbol, zu einer Projektionswand für die Darstellung von Unvergleichlichkeit und Individualität."

Download-Tipp
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