Karriere im Ausland
Keine Perspektive
Mehr als 1.500 österreichische Wissenschaftler machen in den USA Karriere. Viele von ihnen wollen zurück, sehen in der österreichischen Universitäts- und Forschungslandschaft aber keine Perspektive. Die Folge: ein Wissensverlust auf vielen Gebieten.
8. April 2017, 21:58
Schon im Mittelalter gehörte es bei Studenten zum guten Ton, zwischen Universitäten zu wechseln und somit auch fremde akademische Luft zu schnuppern, einfach zur Erweiterung des kulturellen Horizonts.
Europa kämpft allerdings damit, dass viele Forscher sich dauerhaft unter fremden Horizonten einrichten. Nach EU-Schätzungen sind bisher 400.000 europäische Forscher in die USA gegangen. Und auch Österreich leistet seinen Anteil daran. Brain-Drain nennen die Wissenschafter diesen Know-How-Verlust.
Hochwertige Produkte nur durch Forschung möglich
Das Problem dabei: die Kosten für die Ausbildung seiner Wissenschafter trägt Österreich, die Früchte ernten andere.
Ein Verlust, der sich auch wirtschaftlich rächen könnte. Hoch industrialisierte Staaten mit ihren hohen Arbeitskosten können nur mit hochwertigen Produkten auf dem Weltmarkt bestehen - und die setzen blühende Forschungs- und Entwicklungslandschaften voraus.
So ist auch das Barcelona-Ziel zu verstehen, das bis 2010 Forschungsausgaben in der Höhe von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für alle EU-Staaten anvisiert.
Niemand kümmert sich um Nachwuchs
Der junge Ökonom Martin Zagler, er war bis vor wenigen Tagen Schumpeter-Stipendiat in Harvard, führt den österreichischen Brain-Drain vor allem auf marode Strukturen in unserer Universitätslandschaft zurück.
Sie bieten - speziell nach der Reform im Jahr 2002 - keinen Anreiz für überdurchschnittlich gute junge Forscher. In Deutschland habe man Juniorprofessuren eingeführt, um gute junge Leute zu halten.
In Österreich würde man Professorenstellen eher streichen. "Man produziert unglaublich viel wissenschaftlichen Nachwuchs, ohne das zu kapitalisieren. Ganz im Gegenteil: Die Leute, die man produziert und die dann gut sind, die finden dann irgendwo anders gute Stellen".
Kontraproduktive Entscheidungen
Auch Viktor Mayer-Schönberger, Rechtsprofessor in Harvard, hält viele universitäre Postenbestellungen in den letzten Jahren für überhastet und wissenschaftlich kontraproduktiv. Da habe man Leute in einer letzten Welle vor der Reform pragmatisiert, die heute den Nachwuchsforschern jede Karriere unmöglich machen würden.
Wenig Chancen hat auch Alexander Neumeister im österreichischen System gesehen. Er ist Psychiater und Professor an der "University School of Medicine" in Yale und arbeitete früher am AKH in Wien. Nach seiner Habilitation im Alter von 33 Jahren waren seine Karriere-Entwicklungsmöglichkeiten auch schon zu Ende. "Und das mit 33? Ich glaub, das ist ein Problem", meint der Psychiater.
Ein Computer und ein "Kammerl"
Neumeister ist auch aus familären Gründen sehr rückkehrwillig. Aber obwohl er renommierte Preise erhalten und in Top-Journalen veröffentlicht hat, hat man ihm hier gerade mal einen Computer und ein "Kammerl" angeboten.
Dabei hätte Neumeister 1,5 Millionen Dollar Forschungsgeld aus den USA nach Österreich mitgebracht. Vielleicht spielte auf Seiten der Verantwortlichen da auch Angst vor neuer Konkurrenz mit.
Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 7. November 2006, 19:05 Uhr
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