oder Die inszenierte Verführung
Der verbotene Ort
Dass Shopping-Tempel ebenso wie Theateraufführungen einer Dramaturgie gehorchen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen, das ließ vor zehn Jahren, als dieses Buch erstmals erschienen ist, aufhorchen. Heute ist dieses Wissen Allgemeingut.
8. April 2017, 21:58
Einkaufszentren und auch Themenparks wie Disneyland folgen denselben dramaturgischen Regeln wie viele Bücher und Filme. Derartige Erlebniswelten so zu inszenieren, dass sich Besucher darin wohl fühlen, das ist eines der Ziele von Christian Mikunda. Als Film- und Fernsehdramaturg hat er begonnen, heute hält er Vorträge und Seminare an Universitäten und in der Wirtschaft. Außerdem gestaltet er Einkaufszentren, Museen und Krankenhäuser zu dramaturgischen Erlebniswelten.
In seinem Buch "Der verbotene Ort oder Die inszenierte Verführung" geht es aber nicht nur um die Inszenierung von Umwelten. Auch Situationen aus dem zwischenmenschlichen Bereich, so Mikunda, folgen derselben dramaturgischen Logik. Daher geht es auch um das Geheimnis, wie mit Dramaturgie Gefühle ausgelöst werden können.
Zeichen und Signale
Ein Kapitel widmet Christian Mikunda den dramaturgischen Interventionen im sozialen und politischen Bereich. Mit wenigen Zeilen schafft es der Autor zu erklären, warum es für uns Europäer so schwer zu verstehen ist, wenn Katastrophen-Opfer keine Hilfslieferungen wollen, sondern um Geldspenden bitten. Und warum sich die Denkweise der Amerikaner im Krieg gegen den Terrorismus so von der ihrer Gegner unterscheidet. Weltpolitik, Wirtschaft und interpersonale Kontakte, alle lassen sich mit psychologischen Konzepten erklären, aber auch steuern.
Mit Zeichen und Signalen die Menschen zum Handeln zu bringen, ist besonders in der Wirtschaft von Bedeutung. Den Sinn einer dramaturgischen Veränderung sieht Christian Mikunda nicht etwa darin, die Menschen im Unterbewusstsein zu etwas zu überreden, sondern sie an einen Ort zu führen, den sie genießen und an dem sie sich wohl fühlen. Dann können sie frei entscheiden, ob sie die Angebote und Bequemlichkeiten dieses Ortes nutzen wollen oder nicht. Nicht um Einflusswelten, sondern um Erlebniswelten gehe es, erklärt Mikunda. Als vor zehn Jahren die erste Auflage des Buches erschien, war diese Art der Analyse von dramaturgischen Elementen noch neu.
Inspiration Las Vegas
Inspirationen hat sich der Dramaturg während zahlreicher Reisen geholt. Er beobachtet, wie Orte inszeniert werden und vergleicht diese dann untereinander. Ein Ort inspiriert den Autor immer wieder: Im Glanz und Glamour der Casinostadt Las Vegas hat er sowohl für die alte als auch für die neue Ausgabe des Buches zahlreiche passende Beispiele gefunden.
Einige der dramaturgischen Strategien gibt es schon sehr lange, denn auch vor Tausenden von Jahren wurde mit Dramaturgie die Bedeutung bestimmter Orte und Ereignisse gesteigert. Die Strategie des verbotenen Ortes - auf die der Buchtitel verweist - war damals ebenso wie heute ein Zeichen der Macht. Ähnlich wie Tempelanlagen funktionieren einige Hollywood-Pressekonferenzen: Die Neugierde wird geweckt, denn nur ausgewählte Journalisten werden eingeladen. Und selbst diese müssen sich Stück für Stück vorkämpfen, um zum Schluss Größen wie Steven Spielberg treffen zu können.
Dramaturgisches Meisterstück
Das Buch "Der verbotene Ort oder die inszenierte Verführung" wird oft als Klassiker bezeichnet. In der Neufassung wurden laut Angaben des Autors etwa 200 Textstellen geändert. Für ihn selbst ist es heute so, wie er es vor zehn Jahre gerne gehabt hätte - ein dramaturgisches Meisterstück.
Buch-Tipp
Christian Mikunda, "Der verbotene Ort oder Die inszenierte Verführung", Ueberreuter Wirtschaftsverlag, ISBN 3636012142