Französische Poesie

Sommerzeit und Sommernächte

Héctor Berlioz war zu seiner Zeit mehr als heiß umstritten. Von Kritikern wurden seine Werke buchstäblich in der Luft zerrissen. Was lag also nahe: Berlioz wurde selbst Musikkritiker. Musik und Poesie erhob er zum Inbegriff der romantischen Einheit.

Berlioz: "Les nuits d’été" mit Balleys, Daniels, Graham

Die Fische springen hoch, Wagner sitzt im Café Quadri in Venedig, Hans Sachs vor seiner Schusterwerkstatt, Bess wiegt ein Kind in den Schlaf. Ein brasilianisches Kammermusikensemble vergnügt sich mit Johann Sebastian Bach, die Urbesetzung der Aria aus der "Bachiana Brasiliera Nr. 5" singt, ein Musikexperte historischer Aufführungspraxis spielt Wagner mit Instrumenten um 1840. Ausschnitte aus Héctor Berlioz "Les nuits d’été Opus 7", in verschiedenen vokalen Varianten.

Glückseligkeit

Letzte Zeile des ersten Liedes aus Berlioz' Opus 7: Villanelle aus "Les nuits d’été" nach Gedichten von Théophile Gautier. "Dann kehren wir glücklich und fröhlich nach Hause zurück und bringen Walderbeeren mit.“

Kühl-distanziert, sehr ausgewogen das Verhältnis zwischen Stimme und Orchester im Beispiel mit Mezzosopranistin Brigitte Balleys und dem Orchestre des Champs Elysées.

Klanglich voller, präsenter, aber fast zu weit vorne, zu direkt die Stimme von Countertenor David Daniels.

Am verführerischten, sinnlichsten und sehr schön in der agogischen Verzögerung des letzten Satzes Mezzosopran Susan Graham.

A (female) American in Paris

Eine amerikanische Sängerin (Grammy Award Gewinnerin für ihre Aufnahme mit Liedern von Charles Ives), deren große Liebe der französischen Musik gilt: Susan Graham.

Ich liebe französische Lieder. Wie ich die Worte im Fluss der Musik spüre, das wirkt wahrhaft inspirierend auf mich. Und dann die Vertonungen von Berlioz - sie sind so von persönlichem Fühlen und Denken geprägt. Sie gehen noch in die feinsten Nuancen und sind so intim, dass man als Sänger das Gefühl hat, Geheimnisse preiszugeben.

Sie tut das mit unnachahmlichem Zauber, einer natürlichen Eleganz in der Phrasierung, verführerischer Stimmschönheit, einem hellen und doch wieder ins Dunkle changierenden Färbung des Klangs. Mit dramatischen Steigerungsmöglichkeiten, strahlender Höhe.

French is sexy

Gefühle, die wie aufgesetzte Gesten wirken, wie oft im italienischen Belcanto-Repertoire mag Susan Graham nicht.

Die französische Musik ist sehr klar und braucht eine Stimme, die eine große dynamische Spannbreite hat, aber auch sehr schlank, sehr sanft sein kann. Beim Französisch muss man ebenso wie beim Spanisch aufpassen, dass der musikalische Rhythmus nicht den sprachlichen Rhythmus unterdrückt oder umgekehrt. Die Verständlichkeit des Textes ist sehr wichtig. Noch wichtiger die Sensualität der Sprache. French is sexy, hat so viele Farben.

Erst vor drei Wochen ist eine neue und bereits hoch gelobte Aufnahme von französischen Orchesterliedern mit Susan Graham erschienen: Debussy, Chausson, Ravel.

CD-Tipps
Hector Berlioz, "Les nuits d’été", Brigitte Balleys mit dem Orchestre des Champs Elysées, HMC 901522

Hector Berlioz, "Les nuits d’été"; David Daniels mit dem Ensemble Orchestral de Paris, Virgin 545646 2 8

Hector Berlioz, "Les nuits d’été", Susan Graham mit dem Orchestra of the Royal Opera House, Sony LC 6868

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