Wien gräbt immer mehr historische Radwege aus
Rompipalle!
Wien ist eine alte Stadt. Das sollen die Bewohner und Besucher dieser Stadt gefälligst zur Kenntnis nehmen. Mit allen Sinnen. Deshalb werden immer mehr langweilig zeitgemäß asphaltierte Verkehrsflächen auf Mittelalter-Erlebnis-Parcours rückverwandelt.
8. April 2017, 21:58
Beim Meidlinger Eingang in den Schönbrunner Schlosspark saß früher der Parkwächter in einem schäbigen Hüttchen. Seit gut einem Jahr hat er ein todschickes metallen-modernes Pförtnerhäuschen, von Künstlerhand gestaltet. Das glänzende Kunstwerk könnte man selbstredend nicht auf den alten Asphalt stellen. Also neuer Asphalt? Es gibt ja ganz tolle Asphalte derweil.
Nein. Denn: Wien ist alt, Schönbrunn ist alt, was sollte da ein neuer Asphalt. Da kamen Pflastersteine hin. Ganz grobe. Ganz schlecht verlegt. Absichtlich. Soll alt ausschauen. Dabei: Zu Kaisers Zeiten hätt' es das nicht gegeben, dem wären die Steine aus der Krone gefallen, hätte seine Kutsche da drüberrumpeln müssen. Und so stolpern heute die Passanten nach Schönbrunn hinein und die Passantinnen bleiben mit dem Stöckel hängen und fluchen. So sie Italienerinnen sind, zerbeißen sie in Gedanken an den Planer ein "rompipalle! zwischen den Zähnen.
Wie wörtlich recht die Italienerinnen haben, wissen Radfahrer, die auf der neuen Innenstadt-Durchquerung Augustinerstraße-Herrengasse erlaubt gegen die Einbahn unterwegs sind. Die müssen nämlich den Michaelerplatz überqueren. Das ist ein gaaanz alter Platz. Er ist sogar permanent aufgerissen, damit man sehen kann, welch alte Reste alter Bauten sich unter dem alten Platz gefunden haben. Alle Fahrbahnen des Michaelerplatzes sind neu auf Mittelalter gepflastert. Buckelsteine. Holperholper. Irgendjemand hat behauptet, das sei der alte Originalbelag des mittelalterlichen Michaelerplatzes, den hätten sie im Zuge der Ausgrabungen, die in der Mitte des Platzes zu sehen sind, freigelegt. Aber das kann nicht wahr sein.
Die Alten und die noch Älteren haben nämlich viel glattere Fahrbahnen bauen können. Was man heute noch in Rom von der Via Appia sieht oder in den Straßen von Pompeji - Respekt! Ja, so glatt wünschte sich ein Wiener Radfahrer die Wiener Straßen und Wiener Radwege. In Wien sind nämlich auch die Radwege gepflastert. Mit roten Betonsteinen. Die werden von Jahr zu Jahr unebener und können es bald mit dem Michaelerplatz aufnehmen. Auch über die Freyung verläuft ein Original-Mittelalter-Radweg mit Original-Mittelalter-Pflastersteinen. Ausländische Radfahrer konnten dabei beobachtet werden, dass sie das Ding fotografiert haben. Ja, sowas haben die zu Hause nicht. Aber sie lernen schnell, dass man solche Radwege nicht sitzend, sondern auf den Pedalen stehend passiert, zum Schutz heikler Körperteile.
Rompipalle ist ein italienischer Vulgärausdruck. Er bezeichnet eine Person, die einem schwer auf die Nerven fällt. Wörtlich ist es einer, der einem die Hoden zertrümmert. Ich denke dabei immer an den Wiener Radewegeplaner.
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