Der irakische Exil-Schriftsteller Hussain Al-Mozany
Jenseits von Gut und Böse
Morgenländische Idylle, Tausendundeine Nacht, Harem, Bauchtanz, Wasserpfeife, dufterfüllte Basars. Islamischer Fundamentalismus, Fanatiker, Selbstmordattentäter, Mullahs, Heiliger Krieg. Klischees verstellen uns den Blick auf die arabische Welt.
8. April 2017, 21:58
Michael Kerbler im Gespräch mit Hussain Al-Mozany
Unausrottbar zeigt sich das Vorurteil, dass der Islam ein monolithisches Phänomen sei, das überdies mit dem islamischen Fundamentalismus gleichzusetzen sei. Faktum ist, dass jene Araber, die den Islam und die Moderne für vereinbar halten und für Offenheit werben, zwischen Hammer und Amboss geraten: den Hammer der Fundamentalisten in den islamischen Staaten und den Amboss jener politischen Kräfte der westlichen Welt, denen die Formel vom Kampf der Kulturen die Sicht auf eine differenzierte Realität blockiert. Beide Seiten kommen aus unterschiedlichsten Überzeugungen zur Konklusion, dass die arabische Welt zur Aufklärung nicht fähig sei.
Liebe zur deutschen Sprache
Der irakische Schriftsteller Hussain Al-Mozany ist einer jener Oppositionellen, die das Regime von Saddam Hussein schon früh ins Exil gezwungen hat. Hussain Al-Mozany erhielt in der BRD Asyl und konnte bleiben. "Leichter hatte ich es, weil ich Zuneigung, ja Liebe zur deutschen Sprache empfunden habe, sagt Hussain Al-Mozany und erinnert sich, dass das erste Buch eines Deutschen, das ihm in die Hände fiel, "Jenseits von Gut und Böse von Friedrich Nietzsche war.
"Mir ging es besser als jenen deutschen Intellektuellen, die vor den Nazis ins Ausland flüchten mussten, in einer fremden Sprachwelt landeten und sich nicht zurechtfanden. Für mich wurden die deutsche Kunst und Literatur zur Heimat.
Eleganz der Sprache. Ästhetik des Wortes.
Er hat Rainer Maria Rilke, Robert Musil und auch Günter Grass ins Arabische übersetzt. "Ich weiß, manche Leute sagen, Übersetzung ist ein Verrat am Text, an der Authentizität des Geschriebenen. Aber das stimmt nicht. Was Musil und Rilke betrifft: Ich spüre diese Tragik ihrer Texte, ich bin von der Eleganz der Sprache, von der Ästhetik des Wortes fasziniert.
Günter Grass war für den Exil-Iraker schon ein Begriff, bevor er nach Deutschland kam. Das politische Engagement von Grass für die so genannte Dritte Welt hatte den linksintellektuellen Oppositionellen Al-Mozany beeindruckt. Vor fünf Jahren war sich der irakische Schriftsteller schließlich sicher, die große Herausforderung bewältigen zu können. Er übersetzte "Die Blechtrommel ins Arabische.
Verbrannte Zukunft. Kaltes Exil.
Vor einem Jahr hat Hussain Al-Mozany erstmals nach 25 Jahren seine Heimat besucht und ist nach Bagdad gereist. Während des drei Wochen dauernden Aufenthaltes machte er eine befremdende Entdeckung. In seinem Reisetagebuch notiert er: "Die Verbannung ist offenbar zur Heimat geworden. Und die Heimat ist verbrannte Erde, verbrannte Zukunft. Alles, was ich mir im letzten Vierteljahrhundert erdacht und erträumt hatte, wurde in drei Wochen zunichte gemacht. Nur eine Schaufel brauche ich noch, um die Leiche der Vergangenheit zu verscharren und in mein kaltes Exil zurückzukehren, dieses Mal ohne Hoffnung auf Wiederkehr.
Mehr dazu in Ö1 Programm
Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.
CD-Tipp
"Im Gespräch Vol. 7", ORF-CD, erhältlich im ORF Shop