Banken und Tanken
Großmacht Luxemburg
Die Referenden zur geplanten EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden überschatten die zu Ende gehende Ratspräsidentschaft des überzeugten Europäers Jean-Claude Juncker. Sein Land ist eines der kleinsten und zugleich das reichste der gesamten Union.
8. April 2017, 21:58
Der Staat ist klein, wie das Burgenland, aber reich, wie eben nur Luxemburg: Steuerparadies auf Kosten der Nachbarn, Hochburg des Tanktourismus, Sitz von 165 internationalen Banken. Daneben aber gibt es auch Armut.
"Oh pardon, sind Sie der Graf von Luxemburg?" Schlager, wie dieser waren alles, was man von Luxemburg in den 70er Jahren kannte. Später dachten die meisten Leute, wenn von dem Kleinststaat die Rede war, an ein Steuerparadies mitten in Europa. In der Tat: Luxemburg ist zwar nicht mehr das kleinste, aber immer noch das reichste und im Moment auf jeden Fall das einflussreichste Land der Europäischen Union. Denn seine christlich-soziale Regierung von Januar bis Juni die Großmacht EU an. In der zweiten Jahreshälfte übernimmt Großbritannien den EU-Vorsitz.
Premierminister Jean-Claude Juncker hält seine letzte EU-Präsidentschaften 1997 für "sehr erfolgreich". Liegt der Erfolg am angeborenen Verhandlungsgeschick des Junior-Chefs Europas - Juncker ist 50 Jahre alt - oder wird er einfach nicht erst genommen, weil er aus einem Winzstaat kommt.
Was ist das für ein Land, dieses weit gehend unbekannte Großherzogtum zwischen dem Saarland, Belgien und Frankreich, wo die aus Kuba stammende Großherzogin ihr eigenes Politikverständnis hat und damit die Luxemburger immer wieder mal gegen sich aufbringt?
Minderheit im eigenen Land
Ausländer stoßen bei den Einheimischen oft auf Unverständnis. Kein Wunder, sind diese doch zwischen neun Uhr morgens und fünf Uhr abends in ihrem eigenen Staat beinahe in der Minderheit. Von den knapp 450.000 in Luxemburg lebenden Menschen sind rund 170.000 Ausländer, ein Drittel davon Portugiesen, daneben Spanier, Italiener, Franzosen, Belgier, Deutsche und andere. Dazu kommen aber jeden Tag 107.000 Grenzgänger aus den Nachbarländern.
Luxemburg gleicht also einem Scheichtum mitten in Europa, dessen wohlhabende Bewohner es sich auf Kosten der dort arbeitenden Ausländer und der Tanktouristen gut gehen lassen.
Schattenseite des Erfolgs
Trotzdem hält Luxemburg in der EU mit Finnland zusammen einen traurigen Rekord bei Selbstmorden. Es gibt relativ zur Bevölkerung fast doppelt so viele Drogenabhängige wie in Deutschland. Und die Zahl der armen Kinder hat sich in den letzten Jahren fast verdoppelt.
Dafür bemüht sich das kleine Land eifrig, sich als vollwertiges NATO-Mitglied zu beweisen. Wenn die 900 Luxemburger Soldaten demnächst also wieder irgendwo zwischen dem Golf und dem Balkan mit Hand anlegen, um den vollwertigen Bündnisstaat zu markieren, sind sie jedoch auf belgische Hilfe angewiesen.
Luxemburg, 1060 als Grafschaft des Heiligen Römischen Reiches gegründet, wurde 1354 Herzogtum und 1815 - nach dem Wiener Kongress - Großherzogtum (bis 1890 in Personalunion mit den Niederlanden). Bis 1866 war Luxemburg Mitglied des Deutschen Bundes. Nach dem Tod des niederländischen Königs Wilhelm III. ging die luxemburgische Krone nach den Bestimmungen eines Familienpaktes von 1783 auf den älteren Zweig des Hauses Nassau über, dessen letzte Repräsentantin Großherzogin Charlotte (1896-1985) war, die von 1919 bis 1964 regierte. Durch ihre Eheschließung mit Prinz Felix kam das Haus Bourbon-Parma auf den Thron des Großherzogtums.