Vom Wissen über die eigene Befindlichkeit

Musik für die Himmelskönigin

Auch in der Renaissance gab es Burn-Out. Erst als Claudio Monteverdi anfing, seine eigenen Kräfte nicht zu überschätzen und sich nicht mehr quantitativ verzettelte, begann die künstlerische Vollendung. Seine "Marienvesper" im Interpretationsvergleich.

"Marienvesper" mit Jordi Savall und Frieder Bernius

Wir schreiben das Jahr 1610. Monteverdi ist 43 Jahr alt, seit fast 20 Jahren im Dienste der Fürstenfamilie der Gonzaga. Er will sich verändern und macht für sich die beste und großartigste Werbung, die vorstellbar ist. Er schreibt die "Vespro della beata vergine" (Marienvesper), die geistliche Schwester, der drei Jahre zuvor entstandenen Oper "L’Orfeo".

Ein unzufriedener Komponist

Aus Monteverdis Jahren in Mantua sind nur zwölf Briefe erhalten, alle zwischen 1601 und 1611 geschrieben. Ihr Grundton ist der eines permanent Unzufriedenen, Überarbeiteten und Erschöpften. Fast ausnahmslos finden sich in ihnen Klagen über zu harte Arbeit, Krankheit, Armut und unangemessene Bezahlung. Zudem wird stets der Verdacht geäußert, dass die Gonzagas seine Fähigkeiten nicht gebührend zu schätzen wüssten.

Darüber hinaus trauert er um den Verlust seiner Frau Claudia und später über den Tod Caterina Martinellis, einer jungen Sängerin, die in Monteverdis Haus gelebt hatte, jedoch nur einige Tage vor der ersten Aufführung der Oper "L’Arianna" (leider verloren gegangenen) gestorben war. Er hat sich ins väterliche Haus in Cremona zurückgezogen und bittet, gemeinsam mit seinem Sohn, aus deren Diensten der Gonzagas entlassen zu werden:

Wenn...(Euer Hoheit) mir befehlen, zu kommen und mich wiederum zu verausgaben, so versichere ich Euch, dass mein Leben ohne Ausruhen von den ständigen Mühen der Arbeit für das Musiktheater wahrlich kurz sein wird, denn als Folge meiner Anstrengung stellten sich schlimme Kopfschmerzen und ein so schreckliches starkes Jucken um die Taille herum ein, dass weder von mir angewandt Ausbrennungen noch die eingenommenen Purgiermittel oder der Aderlass oder sonstige starke Medizin bisher eine Besserung gebracht haben...

PR in eigener Sache

Doch Monteverdi begnügt sich nicht mit Briefen und Aderlassen, sondern beginnt, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Er plant und verfasst ein umfangreiches Buch mit verschiedenen Werken, das er - zweifellos in der Hoffnung auf eine kirchliche Anstellung - Papst Paul V. widmet.

Der vollständige Titel des Werks lautete: Cantus Sanctissimae Virgini missa senis vocibus ac vespere pluribus decantandae cum nonnullis sacris concentibus, ad sacella sive principum cubicula accommodata. (Gesang zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria: Messe für sechs Stimmen sowie Vesper, von vielen zu singen, mit einigen geistlichen Konzerten, geeignet für Kapellen ebenso wie für die Gemächer des Fürsten).

Es finden sich also noch andere Werke in dem Band: eine Messe, einige Motetten. Aber das Paradebeispiel, das die Palette seines Könnens am eindrücklichsten veranschaulicht ist das katholische Abendgebet, die Vesper zu Ehren Marias.

Da die Notation damals keineswegs fix war, sondern der Fantasie und er Improvisationskunst sowohl der SängerInnen als auch der Instrumentalisten überantwortet wurde, ist das auch differenziert in den Einspielungen der gewählten Tonbeispiele zu hören.

Mehr dazu in Ö1 Programm

CD-Tipps
Claudio Monteverdi, "Marienvesper", La Capella Reial de Catalunya unter Jordi Savall; Astree Auvidis naïve ES 9363-2

Claudio Monteverdi, "Marienvesper", Musica Fiata unter Frieder Bernius, deutsche harmonia mundi RD 77760

Übersicht

  • Interpretationen