Neuer Schliff für den Pop
Comicfiguren als Musiker
Die Gorillaz steigen wieder aus dem Nebel und setzten jetzt das umjubelte Album "Demon Days in die Welt. Auch so kennt man sie: Nur Comicfiguren sind auf Videos zu sehen. Bei Konzerten geben die Musiker hinter einem Vorhang ein Schattentheater.
8. April 2017, 21:58
Gorillaz aus dem Album "Demon Days
Die Popmusik sollte vielleicht neu zugeschliffen werden, dachte sich wohl Blur-Sänger Damon Albarn, als er rechtzeitig zum Milleniumsbeginn die Gorillaz erschuf. Er erfand ein vollkommen neues Sound-Projekt, hinter dem zwar Menschen stehen, im Vordergrund aber Comicfiguren.
In Videos sind nur diese Figuren zu sehen und bei Konzerten geben die Musiker hinter einem Vorhang ein Schattentheater. Bei Live-Auftritten grinsen einem seither also nur 2D, Murdoc, Russell und Noodle entgegen. Die internationale Musik-Presse war schon nach dem Debüt-Album begeistert.
Musik im Vordergrund
Der ideologische, pop-politische Hintergrund dürfte wohl gewesen sein, wieder weg zu kommen von den Superlativen der unzähligen besten und gehypten Bands des Jahres und des neuen Jahrtausends. Die Musik selbst sollte wieder in den Vordergrund rücken.
Zu einem hohen Prozentsatz ist dies den Gorillaz oder Damon Albarn vollends gelungen. Allerdings hatte Albarn einen Umstand nicht mit einberechnet: dass die Debüt-CD und auch die neue CD "Demon Days von den meisten Musikkritikern ebenfalls in den Pophimmel gehoben wird.
Wilde Sound-Mixtur
Für die neue CD besorgte sich Damon Albarn einige Gast-Stars: Neben den Hiphop-Veteranen von De La Soul heuerte er Danger Mouse als Co-Produzenten an. Und was ist auf der hervorragenden neuen CD zu finden. Kurzum fast alles: Hiphop-Beats, punkige Gitarren oder auch WahWah, Drum'n'Bass, Dub und lateinamerikanische Sounds mit Cuban-All-Star-Altmeister Ibrahim Ferrer am Mikro.
Kein Track gleicht dem anderen, gleich ist ihnen nur eines: eine ziemlich endzeitliche Stimmung. Schöne alte, grüne, heile Welt versus neue furchtbar zerschundene Welt. Gesellschaftskritisch, ökologiebewusst und depressiv verstimmt. Aber deswegen nicht weniger gut.
Fünf vor zwölf auf der Welt?
"Tomorrow Comes Today" bedient sich etwa des Doors Songs "Light My Fire". Und wo immer der stimmliche Dämon in dieser endzeitlichen Welt, Damon A. auftaucht, wird es sehr düster, aber unglaublich einnehmend. Benannt diese Stimmung im Track: "November Has Come". Hätte auch heißen können: Fünf vor zwölf.
Zum Glück also sind Gorillaz auch Gorillaz geblieben. Nach sechs Millionen verkauften Alben kein Wunder: Damon Albarn (2-D) von Blur, Jamie Hewlett (Murdoc), Del Tha Funky Homosapien (Russel) und Miho Hatori (Noodle) von Cibo Matto. Kurzum: die erfolgreichste Comic-Pop-Group unserer Zeit.
CD-Tipp
Gorillaz, "Demon Days, EMI LC 0299-09463116882 6
Link
Gorillaz