Große Koalition in Deutschland
Singuläre Kraftanstrengung
Einsetzende Rezession und steigende Arbeitslosigkeit bildeten 1966 die Ausgangslage für eine Große Koalition in Deutschland. Doch welche Persönlichkeiten könnten 2005 die beiden ideologisch so unterschiedlichen Parteien CDU/CSU und SPD zusammenführen?
8. April 2017, 21:58
Plisch und Plum, nein, weder zwei Kuscheltiere noch eine Kinder-TV-Sendung mit herzigen Stofffiguren: frei nach Wilhelm Busch waren Plisch und Plum Karl Schiller und Franz-Josef Strauss, die mächtigen Wirtschafts- und Finanzminister in Deutschlands einziger Großer Koalition nach dem Krieg.
"Österreichs Große Koalition - Vorbild für Bonn?" So titelte der Spiegel 1966 und nahm damit vorweg, was in den nächsten drei Jahren als politische Ausnahmeerscheinung Deutschland regieren sollte. Vorausgegangen waren diesem Experiment ein Kanzlerwechsel in der CDU: Ludwig Erhardt wollte damals zur Sanierung des Budgets die Steuern erhöhen, sein Koalitionspartner FDP war strikt dagegen. Erhard wurde von Kurt Georg Kiesinger abgelöst, der sich mit den Sozialdemokraten unter Willy Brandt auf eine Große Koalition einigte.
Die Ausgangslage damals war der heutigen gar nicht so unähnlich: eine Rezession hatte die Bundesrepublik erfasst, die Arbeitslosigkeit war im Steigen, wenngleich die 600.000 zu Beginn des Jahres 1967 sich mit den fünf Millionen des jetzt wiedervereinigten Deutschland wohl kaum messen können. Aber Plisch und Plum handelten rasch: ein Konjunkturprogramm im Februar und ein weiteres im Herbst zeitigten bald entsprechende Erfolge: im Frühjahr 1969 waren nur noch 240.000 Menschen ohne Arbeit, gleichzeitig gab es 700.000 offene Stellen.
Und heute? Probleme gäbe es in der Bundesrepublik genug, aber reichen die schon für einen politischen Kraftakt aus, die beiden ideologisch so unterschiedlichen Parteien CDU/CSU und SPD zusammen zu führen? Der kommende Wahlkampf wird diese Gegensätze noch verstärken, auch wenn die Christdemokraten kaum andere Lösungsmöglichkeiten im sozialen und wirtschaftspolitischen Bereich werden anbieten können als die SPD, die ja am Widerstand vor allem der Gewerkschafter und anderer Funktionäre ihres linken Flügels gescheitert ist (oder jedenfalls scheitern könnte...).
Nach den Wahlen mag das Bild wieder anders aussehen: ein breiter politischer Konsens könnte es - wenigstens mittelfristig - durchaus möglich machen, jene Probleme anzupacken, die Sozialdemokraten und Grüne jetzt nicht lösen konnten. Was fehlt, sind freilich so starke Politpersönlichkeiten wie Schiller und Strauss, Plisch und Plum also. Doch wer weiß, am Ende mag vielleicht doch noch Wilhelm Busch mit seiner Verszeile aus "Plisch und Plum" recht bekommen:
Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt...