Ein Leben mit viel Bewegung

Per un’ ombra

Wären die zehn berühmtesten Stücke der klassischen Musik zu nennen, Vivaldis "Die vier Jahreszeiten" wären unbestritten darunter. Dabei sind viele seiner 600 Werke noch gar nicht aufgenommen. Die "ORF Edition Alte Musik" plant Neues.

Heute kennt jedeR seine Musik - vor allem "Die vier Jahreszeiten“. Doch ist es erst knappe 80 Jahre her, als der Rektor eines Salesianerklosters in Piemont der Biblioteca Nazionale Torino ein Konvolut mit Noten zum Kauf anbot. Ein Konvolut, das ursprünglich aus dem Besitz der Grafen Durazzo stammte: Insgesamt waren darunter vierzehn Bände (!) mit bisher unbekannten Kompositionen des "prete rosso“ Antonio Vivaldi. Der Renaissance seiner Musik stand somit nichts mehr im Wege. Aufnahmen mit Musik Vivaldis unter dem "Oman Consort" für die "ORF Edition Alte Musik" nahm Fra Bernardo zum Anlass für das folgende Gespräch mit dem rothaarigen Priester.

Priester mit Sinn für's Leben

Hochwürden, wir fragen uns heute, wie so es passieren konnte, dass gerade Eure Kompositionen so lange in Vergessenheit geraten sind. Venedig ist doch ein riesiges Museum.
Museum stimmt! Auch zu meiner Zeit war die Lagunenstadt bereits ein Ort, wo vieles konserviert und zur Schau gestellt wurde. Denken wir nur an die vielen Baudenkmäler, die Gemälde oder Fresken. Was die Musik anbelangt, war mein Venedig jedoch am Puls der Zeit. Sogar der "caro sassone“ (Georg Friedrich Händel; Anm.d Red.) hat hier Operngeschichte geschrieben. Uns wäre es nie in den Sinn gekommen - nicht einmal im Violinunterricht - die Sonaten von Biagio Marini aus der Monteverdi-Zeit zu spielen. Ja, selbst die Kompositionen des "Divino Claudio“ Monteverdi waren zu meiner Zeit nicht mehr zu hören. Quasi erst im 19. Jahrhundert ist man im Repertoire stecken geblieben. Es kränkt mich schon, dass das Teatro La Fenice lieber Verdi als Monteverdi oder gar Vivaldi spielt.

Heute wird noch viel gemunkelt über die Tatsache, dass Sie nie Messen gelesen haben, über ihre Beziehungen zu Schülerinnen und vor allem zur Sängerin Anna Giro.
Was das Lesen der Messe betrifft, habe ich mich in einem Brief an den Marchese Bentivoglio ausführlich gerechtfertigt: Es war wirklich so, dass ich derartige Probleme beim Atmen hatte, dass das Lesen der Messe für mich äußerst beschwerlich gewesen wäre. Außerdem gab es zu meiner Zeit noch genügend andere Priester. Aber ein gläubiger Mensch war ich immer, so habe ich den Rosenkranz erst beim Schreiben oder Spielen aus der Hand gegeben. Was die Beziehungen angeht, so muss ich gestehen, dass ich natürlich meine ganze Leidenschaft in der Musik ausgelebt habe. Freilich war Venedig aber zu meiner Zeit eine Stadt, wo Priester und Mönche das Recht hatten, während des Karnevals Masken zu tragen, ihre Konkubinen auszuhalten, als Sänger auf der Bühne zu erscheinen (ich hab es nie probiert) und überhaupt zu tun, was ihnen gefällt. Der geliebten Anna Giro bin ich dankbar, dass sie mir in meiner Todesstunde in Wien die Hand gehalten hat.

Sie müssen offenbar zur Ihren Eltern, speziell zum Vater ein sehr inniges Verhältnis gehabt haben.
Unser Verhältnis war ausgenommen gut. Wir haben ja gemeinsam bis 1722 in der Nähe San Marcos gewohnt. Anno 1722 sind wir dann in ein Haus auf der kleinen Fondamenta del Dose am Ponte del Paradiso in der Nähe der Kirche Santa Maria Formosa übersiedelt. Meine Mutter starb dort, mein Vater hat immer sehr kritisch - aber auch mit viel Stolz - meine Karriere verfolgt. Er spielte ja selbst den Violino. Wir sind oft auch auf eine "Ombra“ (ein Glaserl Wein) ausgegangen. Die Familie war für mich eine willkommene Abwechslung zum Beruf!

Fortsetzung folgt nach meiner Klausur am Feiertag!

Soli Deo Gloria
Euer
Fra Bernardo (alias Bernhard Trebuch)